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Sternenteufel

Sternenteufel

Titel: Sternenteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Norton
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verbargen anfangs die Wiese, deren Gras den weidenden Tieren bis zu den Schultern reichte. Vier Zweihörner grasten dort, genau wie Elossa es mit ihrem Geist erkundet hatte. Eines war eine Ricke mit einem Kitz, die beiden anderen Böcke. Der mit den breiten krummen Hörnern war zweifellos zehn Sommer alt und sicher der Führer.
    Stans schoß. Der jüngere Bock machte einen ruckhaften Sprung. Blut schoß in einem mächtigen Schwall aus seinem Hals. Der Leitbock brüllte laut und trieb die Ricke mit dem Kitz in die Flucht. Das verwundete Tier war auf die Läufe gesunken, als der Bolzen in seiner Schlagader zu immer größerem Blutverlust führte. Stans rannte mit dem Jagddolch in der Hand darauf zu, um seinen Schmerzen ein Ende zu machen.
    Elossa würgte, aber sie zwang sich auch jetzt, weiter zu dem Raski zu gehen, der das Wild ausnahm. Sie bückte sich, steckte einen Finger in das gerinnende Blut und schrieb damit das Zeichen der Schuld auf ihre Stirn. Sie mußte es tragen, damit alle es sehen konnten, bis sie auf irgendeine Weise gesühnt hatte.
    Der Raski hielt kurz in seiner blutigen Arbeit inne und schaute verwirrt zu ihr hoch.
    »Durch mich hat ein unschuldiges Leben geendet«, sagte sie. Sie wollte ihre Sünde nicht erklären, fühlte jedoch, daß es in diesem Fall angebracht war. »Darum muß ich das Zeichen des Mörders tragen.«
    Er blickte noch verwirrter drein. »Das ist Fleisch, wir brauchen es, wenn wir nicht sterben wollen. Hier gibt es keine Felder zu ernten, keine Bäume mit reifen Früchten. Essen die Yurth denn kein Fleisch? Wenn nicht, wovon leben sie dann?«
    »Wir leben«, sagte sie düster, »und wir töten. Doch nie dürfen wir vergessen, daß wir die große Last auf uns nehmen, die sich ergibt, wenn wir Leben nehmen, sei es das eines Menschen oder eines Tieres.«
    »Du hast dich nicht mit dem Blutzeichen bemalt, als durch dich ein Sargon getötet wurde«, sagte Stans.
    »Das war etwas anderes, denn da standen die Chancen gleich – Leben um Leben. Der Ausgang war einem Höheren überlassen und hing nicht von unserer größeren Geschicklichkeit oder einem Trick unsererseits ab.«
    Stans schüttelte den Kopf. Er schien es immer noch nicht ganz zu begreifen. Er zuckte die Schultern. »Jedenfalls haben wir jetzt zu essen.«
    »Dürfen wir wagen, ein Feuer zu machen?« Das Mädchen schaute die Wiese hoch, die am Fluß endete. Dieser Wasserlauf war mehr ein breiter, schäumender Wildbach, der geborstene Äste und anderes Treibgut wie von einem kürzlichen Sturm flußabwärts mit sich trug. Am anderen Ufer befanden sich stehende Steine und Sand; Gras und Büsche wie auf dieser Seite gab es dort nicht.
    »Was sagt dir dein Yurthtalent?« entgegnete Stans. »Wenn du Wild aufspüren kannst, ohne lange suchen zu müssen, ist es dir doch sicher auch möglich festzustellen, ob wir hier allein sind.«
    Elossa wußte nicht, ob aus seinen Worten nicht ein wenig versteckte Feindseligkeit sprach.
    Sie zögerte. Ihre Schwäche zuzugeben, wenn ihr nicht klar war, ob sie diesem Raski vertrauen konnte, wäre gefährliche Dummheit. Andererseits durfte sie keine Kräfte vortäuschen, die sie in einem Notfall nicht einsetzen konnte. Ja, das wäre schlimmer, als jetzt zuzugeben, daß ihre Gabe ihre Grenzen hatte.
    »Wenn ich meinen Suchgeist ausschicke«, erwiderte sie vorsichtig, »und es befindet sich ein empfänglicher Geist in der Reichweite des meinen, wird er sofort auf mich – und auf dich ebenfalls – aufmerksam werden.«
    »Das müßte ein Yurthgeist sein, nicht wahr?« fragte er. »Fürchtest du dich denn vor deinen eigenen Leuten?«
    »Ich habe einen Raski als Begleiter«, antwortete sie. Das war die erstbeste Ausrede, die ihr einfiel. »Sie fürchten deinesgleichen nicht und hassen euch auch nicht, aber ich würde in einem merkwürdigen Licht dastehen.«
    »Ja, genau wie ich mit einer Yurth als Gefährtin!« Er nickte. »Die meisten meines Blutes würden mir einen Bolzen wie diesen …« Er nahm den in die Hand, den er aus dem toten Bock geschnitten hatte, »… ins Herz schießen.«
    Sie traf ihre Entscheidung, hauptsächlich, weil der Hunger in ihr nagte. Aber das Fleisch roh zu essen, dazu konnte sie sich nicht überwinden. Sie wußte nicht, ob es richtig war, doch das Bedürfnis ihres Körpers war stärker als alles andere, denn wenn er verhungerte, würde auch der Geist erlöschen.
    Sie kniete sich ein wenig abseits von Stans, der das Wild nun zerteilte, und holte den Spiegel hervor. Die Sonne war

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