Sternenwind - Roman
wenn sie sonst niemand sieht.«
Also zeig sie uns , forderte ich sie stumm auf. Aber sie blieb vor der Höhle stehen und blickte immer noch in die Ferne.
»Gibt es andere Orte, zu denen wir nicht gehen sollten?«, fragte Alicia. »Wo es Fallen gibt?«
Sie drehte sich zu uns um. »Nicht hier in der Nähe.«
Ich wurde unruhig. Ich wollte sehen, was sich in der Höhle befand, was dort so aufwändig versteckt wurde. »Können wir hierher zurückkommen?«
Sie sah mich grinsend an. »Diese Frage kannst du dir selbst beantworten.«
Ich schürzte die Lippen, dachte nach und grinste dann zurück. »Klar. Du hättest dir nicht so große Mühe gegeben, uns zu zeigen, wie wir rein- und rauskommen, wenn wir es nicht selber tun dürften.«
Ihr Lächeln verblasste. »Trotzdem ist es besser, wenn ich dabei bin. Hier gibt es vieles, was ihr nicht verstehen würdet. Mit manchen Dingen könntet ihr großen Schaden anrichten – an anderen Menschen oder an euch selbst.« Sie blickte kurz zur Sonne hinauf, die bereits den Mittagspunkt überschritten hatte. »Heute werdet ihr nur einen kleinen Teil eures Erbes sehen, das sich hier befindet.«
»Stammen der Datenspeicher und der Stab von hier?«
»Ich habe fast alles zusammengetragen, was von uns stammt, und es hierhergebracht. Es gibt noch ein kleineres Lager, von dem Akashi weiß. Aber diese Höhle hat noch nicht einmal Akashi gesehen.« Jenna drehte sich um und ging in die Höhle. Wir drei folgten ihr wie kleine Welpen, bis wir von Stein und schwachem Licht umgeben waren.
Die Höhle fühlte sich an, als wäre sie voller Wissen – Wissen über uns selbst, Wissen über unsere Eltern. Zweifellos hatten sie oder zumindest die Modifizierten hier gelebt, hier ihre Basis gehabt, von hier aus gekämpft. Ich wünschte, Bryan und Liam könnten es ebenfalls sehen. Und Kayleen. Ich wünschte, wir wären alle zusammen hier.
»Joseph«, sagte Jenna unvermittelt. »Wohin jetzt?«
Er blinzelte und schaute sich in der Höhle um. Mindestens drei Tunnel führten in verschiedene Richtungen. Kleine Nischen waren im Schatten verborgen. »Ich weiß es nicht.«
Jenna seufzte übertrieben. »Was hast du gerade gelernt?«
Ich ging zu ihm und legte die Arme um ihn. Er lehnte sich gegen mich und entspannte sich mit geschlossenen Augen. Ich verschaffte mir einen sicheren Stand, um ihn halten zu können. Er war so schwer, dass mein Bein zitterte, und ich wünschte, wir hätten uns auf den Boden gesetzt, wie wir es auf dem Stein über der Höhle gemacht hatten.
Es schien sehr lange zu dauern, bis er sich wieder straffte und zu einem breiten schattigen Eingang in der hinteren linken Ecke ging. Wir folgten ihm.
Alicia wandte sich flüsternd an mich. »Was tust du, wenn du ihm hilfst?«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Irgendwie habe ich ihm schon immer geholfen.«
»Könnte auch ich ihm helfen?«
»Nicht so gut wie Chelo«, antwortete Jenna. »Die beiden sind von einem Blut – Bruder und Schwester. Auch wenn Chelo die Netze nicht hören kann, entspannt er sich in ihrer Nähe. Das hat etwas mit Chelos speziellen Genmodifikationen zu tun.«
Mir stockte der Atem. »Und welche habe ich? Was bin ich?«
Würde sie der Frage ausweichen, das Thema wechseln, wie sie es so oft mit mir tat? Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und gab mir tatsächlich eine Antwort. »Eine Betreuerin, eine Planerin. Du organisierst und lenkst. Das ist deine besondere Begabung.«
»Werde ich genauso stark sein wie du?«
»Wenn du deinen Körper trainierst. Aber es ist viel wichtiger, dass du deine Instinkte entwickelst. Trenne deine Ziele von denen, die dir von anderen vorgegeben wurden. Du wirst in der Lage sein, fast alles geschehen zu lassen, was du willst. Indem du Vorschläge machst, indem du entscheidest, wann du wem welche Informationen gibst. Joseph kann Datenströme beeinflussen, aber du kannst das Leben beeinflussen, die Politik. Doch zuvor musst du lernen, wer du bist, und entscheiden, was du willst. Weil du erleben wirst, dass du sehr oft erreichst, was du willst.« Das war eine ungewöhnlich lange Ansprache für Jenna, und danach verstummte sie.
Joseph war an der Tür stehen geblieben und hatte zugehört. »Ich komme besser zurecht, wenn Chelo in meiner Nähe ist.«
Alicia zog ein langes Gesicht. »Heißt das, ich kann ihm nicht auf die gleiche Weise helfen?«
»Du, Alicia, bist jemand, der Risiken eingeht. Vielleicht kommt einmal die Zeit, in der er diese Fähigkeit dringend
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