Sternenwind - Roman
folgten ihr, fast genauso sicher, aber nicht annähernd so lautlos. Wieder hängte sie uns nach kurzer Zeit ab, aber wir liefen weiter. Sie würde aufpassen, dass wir nicht zu weit vom Weg abkamen. Es war ihr sehr wichtig, uns zu zeigen, was auch immer sie uns zeigen wollte. Ich dachte erneut an Josephs Worte von gestern und wandte mich an ihn. »Spürst du wieder … das, was du gestern gespürt hast? Vom Datenspeicher?«
Er nickte. »Sogar noch stärker.«
Vielleicht wollte sie nicht abwarten, bis wir den Draht von selbst fanden. Seit der vorigen Nacht glaubte sie möglicherweise, dass wir es nie schaffen würden.
Ich schüttelte den Kopf, um diesen Gedanken zu vertreiben und mich ganz auf den Weg nach oben zu konzentrieren, genauso wie ich es bei der Jagd auf das Djuri gemacht hatte. Mit der rechten Hand nach verwittertem grauem Fels greifen, mich daran hochziehen, mit dem linken ausholen und nach Halt an einem Vorsprung aus vulkanischem Gestein suchen, ausrutschen, festhalten, einen großen stabilen Felsbrocken suchen, in die Hocke gehen und springen, beinahe das nächste Ziel verfehlen, mit der Hand in kühles seichtes Wasser klatschen, und über mir zwitschernde Vögel und überall der Geruch nach wildem Baumfarn … Wie konnte Jenna sich hier mit nur einem Arm so schnell fortbewegen?
Als wir sie wieder eingeholt hatten, waren meine Handflächen aufgeschürft, ich hatte mir ein Knie gestoßen, und die langen Muskeln in meinen Schenkeln zitterten.
Sie lachte, als wir uns über eine kleine Steilwand zu ihr hinaufkämpften. Wir waren fast auf der Spitze des Kraterrands und konnten nun bis zum Kleinen Samtsee und noch weiter sehen, bis zu den Bergen auf der anderen Seite. Alicia zeigte auf die dunklen Wolken, die an der Südspitze des Kontinents vom Zornvulkan aufstiegen, der Feuer und Dampf spuckte.
Alicia und Joseph sahen genauso zerschunden aus, wie ich mich fühlte. Jenna hingegen hatte nicht den winzigsten Kratzer davongetragen.
Sie sagte nichts, sondern beobachtete uns nur dabei, wie wir gierig Wasser tranken. Wieder zeigte sie und lenkte unsere Blicke auf einen hohen Pongabeerenbaum.
Aber Kayleen war gar nicht bei uns.
Offenbar war uns die Verständnislosigkeit anzusehen. Jenna seufzte, zog ihr Hemd aus und reichte es mir. Ich fragte mich, was Joseph beim Anblick ihrer gebräunten Brüste dachte. Die eine neben dem fehlenden Arm hing tiefer als die andere. Schon im nächsten Moment sprang Jenna auf und lief zum Baum. Sie hüpfte mühelos von einem Felsbrocken zum nächsten, landete schließlich auf dem Boden und setzte zu einem weiteren Sprung an. Ihre Körperbeherrschung war perfekt. Die Muskeln spannten sich auf ihrem Rücken, wobei die auf der rechten Seite – auf der Armseite – fast doppelt so kräftig waren. An ihrem langen Körper schien es kein einziges Gramm Fett zu geben.
Dann lief sie den Pongabeerenbaum hinauf, nahezu parallel zum schlanken Stamm. Ihre Füße schienen ohne Schwierigkeiten Halt an der rauen Rinde zu finden, und ihr Arm unterstützte sie mit sicheren, wenn auch leicht ruckhaften Bewegungen. Ich hielt den Atem an, weil ich befürchtete, sie könnte abstürzen, obwohl ich mir gleichzeitig sicher war, dass es nicht geschehen würde. Die untere Hälfte des hohen Baums hatte keine Äste oder Blätter, und danach bewegte sich Jenna noch sicherer, als sie die dünnen verdrehten Zweige als Halt benutzen konnte. Eine dicke Beerentraube hing einen Meter über ihrem Kopf neben dem Stamm, insgesamt gute dreißig Meter über dem Boden. Sie stellte sich auf zwei Äste und reckte sich auf Zehenspitzen empor, um nach dem Stiel der Beerentraube zu greifen. Der Stiel war genauso dick wie der Ast, an dem er hing. Jenna zog und löste die Traube. Zwei rote Beeren fielen durch die Blätter herunter und landeten schließlich im Unterholz. Jenna klemmte sich den Stiel zwischen die Zähne und kletterte genauso mühelos vom Baum herunter.
Sie kam zu uns zurück und verteilte die Beeren. »Es wäre gut«, sagte sie nur, »wenn ihr eure körperlichen Fähigkeiten trainieren würdet.« Sie hatte lediglich einen kleinen Kratzer. Jedes Mal, wenn Kayleen Pongabeeren erntete, sah sie anschließend aus, als hätten die dornigen Blätter auf sie eingeschlagen.
Alicia sah mich an und grinste. Wir übten regelmäßig, aber offenbar nicht genug.
Ohne weiteren Kommentar zog sich Jenna das Hemd wieder an. Offenbar tat sie es aus Rücksicht auf unsere Artistos-Erziehung. Ich hätte mich niemals
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