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Sternenwind - Roman

Sternenwind - Roman

Titel: Sternenwind - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Peitschengras plattdrückten. Es waren nicht mehr als dreihundert Menschen, aber sie waren modifiziert . Sie hatten eine höhere Intelligenz, Stärke, Schnelligkeit und Lebenserwartung. In der ersten Zeit lernte ich im Unterricht, dass sie arrogant waren, aber da ich selbst zu ihnen gehöre, stelle ich mir lieber vor, dass sie nicht verstanden, worauf sie sich eingelassen hatten. Zweifellos brachten sie die nötigen Fähigkeiten zum Überleben mit, nur dass sie keine Ahnung hatten, wie das Schlachtfeld aussah.
    Die Saat des Krieges lag tief in der Geschichte begraben, in einer Zeit lange vor dem Eintreffen beider Gruppen auf Fremont. Doch nun bezeichnen wir ihn als den Modifikationskrieg, den Zehnjährigen Krieg, und wir alle hoffen, dass niemand mehr kommt, der einen weiteren anzettelt. Die meisten sagen, die Ursache wäre ein Streit um knappe Nahrungsvorräte gewesen oder die Forderung der Modifizierten, dass die ursprünglichen Menschen in ihre Fußstapfen traten. Andere flüstern, dass der Grund schlechte Ratschläge gewesen seien, die man den Neuankömmlingen absichtlich mit auf den Weg gegeben habe.
    Mir ist das egal. Ich weiß nicht, warum es zum Krieg kam. Warum können wir nicht alle gemeinsam hier leben? Schließlich glauben wir daran, dass sowohl Jini als auch Islandia bewohnbar sind – auch wenn noch kein einziger Mensch auf Islandia lebt. Aber wie gesagt: egal. Denn es spielt überhaupt keine Rolle.
    Wie auch immer alles angefangen hatte – am Ende überlebten weniger als hundert Modifizierte, die mit der Fernfahrt von Fremont flohen. Die Hälfte der ersten Kolonisten waren tot. Nur ein modifizierter Mensch blieb zurück: Jenna. Auf einem Auge blind, mit nur einem Arm, aber schnell wie eine Tatzenkatze. Jenna rannte, kletterte, jagte und trickste jeden aus, der versuchte, sie zu töten.
    Und wir – soweit wir wussten, die einzigen Modifizierten, die auf Fremont geboren waren.
    Wir sind sechs. Kinder der Toten. Wir wurden adoptiert und nach Möglichkeit voneinander getrennt. Alicia und Liam, beide drei Jahre alt, kamen zu den zwei Vagabundensippen. Die übrigen vier wurden in Artistos untergebracht. Mein Bruder und ich blieben zusammen und wurden von Therese und Steven adoptiert, den Stadtvorstehern von Artistos. Damit sollte das Zeichen gesetzt werden, dass der Krieg beendet war. Kayleen wurde von der beliebten und unfruchtbaren Biologin Paloma angenommen. Bryan kam in einen großen Haushalt in der Baumeistergilde, die ihm jedoch nie besondere Zuneigung entgegenbrachte. Ich war damals fünf und Joseph zwei. Kayleen und Bryan waren vier. Also war ich die Älteste. Und die Verantwortliche.
    Meine neue Mutter Therese erzählte mir einmal, dass die Modifizierten hofften, unsere einzigartigen Begabungen würden ihnen eine Zukunft geben, ihnen dabei helfen, sich selbst zu retten. Die Worte, die sie benutzte, lauteten: »Sie haben euch für diese Welt gemacht.« Auch meine Eltern mussten für Fremont gemacht worden sein, allerdings für den Schnappschuss, den die Sonde sendete, nicht für die wirkliche Welt. Wir waren nicht rechtzeitig erwachsen geworden, um das zu tun, wofür man uns gemacht hatte. Und jetzt sind sie fort. Oder tot. Ihr Raumschiff, die Neue Schöpfung , steht immer noch aufrecht an der Stelle, wo es gelandet war. Der Boden rund um das Schiff ist immer noch größtenteils schwarz und leblos, in einem Kreis, der so weit wie das Schiff hoch ist. Weiter als zwanzig Menschen, die sich hintereinander auf den Boden legen. Das Schiff erinnert uns an unsere Herkunft. Es bleibt verschlossen und unzugänglich.
    Seit dem Ende des Modifikationskrieges sind zwölf Jahre vergangen, aber seitdem herrschten keineswegs zwölf Jahre Frieden. Die ersten Kolonisten kehrten zu einem Feind zurück, der ihnen kontinuierlich an der Flanke zugesetzt hatte, und in gewisser Weise war er zu ihrem Verbündeten geworden, als sie gegen die Modifizierten gekämpft hatten. Nun setzten sie den Kampf ums Überleben gegen Fremont fort.
    Ich kann mich kaum an meine ersten Eltern erinnern. Sie wehten flüchtig wie Rauch durch unser Leben, kamen spätnachts erschöpft in unsere Zelte, um bei Tagesanbruch wieder zu verschwinden. Aber ich erinnere mich an Chiaro, eine der letzten Modifizierten, die getötet wurden. Sie kümmerte sich um uns, sie war unsere Lehrerin. Bis zum heutigen Tag vermisse ich Chiaro, obwohl der Schmerz zu einem kleinen Stein in meinem Bauch geschrumpft ist. Therese erzählte mir einmal, dass Chiaro uns

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