Sternenwind - Roman
»Was tun wir als Nächstes?«
»Das liegt ausschließlich an uns «, sagte ich. Für uns war es an der Zeit, Entscheidungen zu treffen. Die Modifizierten mussten für ihre eigenen Interessen eintreten. Paloma, Steven und Therese hatten uns gelehrt, leise und unsichtbar zu bleiben. Nun wusste ich, dass das der falsche Weg war. Ich blickte zu Akashi hinüber und bemerkte ein anerkennendes Funkeln in seinen Augen. »Wir müssen die entsprechenden Entscheidungen treffen.«
Paloma kniff die Augen zusammen und betrachtete stirnrunzelnd ihre Tochter. »Eure Entscheidungen betreffen auch mich.« Sie sah Akashi an. »Genauso wie die Westsippe. Ich bin nicht bereit, auf mein Stimmrecht zu verzichten.«
Ich verstand. Wir waren praktisch aus Artistos vertrieben worden, als die Diskussion um unsere Zukunft gerade erst begonnen hatte. Akashi und Paloma hatten uns geholfen. Aber es war unsere Freiheit, die auf dem Spiel stand, nicht ihre. Ich war die Älteste von uns und somit zumindest für Joseph direkt verantwortlich. Und für das, was er brauchte, was ich brauchte … was wir alle brauchten. Freiheit und Wissen.
»Tut mir leid, Paloma, natürlich wollen wir hören, was du zu sagen hast. Du und Akashi und Tom, falls er zurückkehrt. Ich vertraue euch. Aber ich bin mir nicht sicher, ob es hier um eine Abstimmung geht.« Ich suchte nach den richtigen Worten. »Für uns steht am meisten auf dem Spiel. Wir könnten sterben.«
»Die Gefahr, ein Kind zu verlieren, ist bedrohlicher, als du ahnst, Chelo«, erwiderte sie. Als sollten ihre Worte unterstrichen werden, ließ ein kleines Beben den Boden unter uns zittern. Die Teller klapperten auf dem Beton.
»Ich will hören, was du zu sagen hast«, wiederholte ich und schloss für einen kurzen Moment die Augen, um nach Weisheit zu suchen. Als ich sie wieder öffnete, sah ich, dass Akashi mich aufmerksam und abwartend beobachtete. »Akashi. Du gehörst zum Stadtrat. Bis auf dich befinden sich jetzt alle Mitglieder in Artistos. Werden sie Entscheidungen treffen, ohne sich mit dir zu beraten?«
»Als Anführer der Westsippe bin ich weiterhin im Stadtrat. Vielleicht versuchen sie, mit Mayah statt mit mir zu verhandeln, aber das wird unserer Sache keinen Schaden zufügen.« Sein Blick wanderte zu Liam, der neben Paloma saß. »Mayah liebt Liam genauso wie ich, und sie liebt mich.«
Sein selbstverständliches Vertrauen in Mayah gab mir ein warmes Gefühl. Therese und Steven waren genauso gewesen. Tom und Nava gingen dagegen kühl miteinander um, und sie tauschten fast nie Zärtlichkeiten aus. Es war bei weitem besser, wie Mayah und Akashi zu sein. »Gut«, sagte ich. »Aber was ist, wenn sie auch Mayah nicht einbeziehen? Dürfen sie das, oder ist das nach den städtischen Vorschriften verboten?«
»Eine Mehrheit kann ein Mitglied des Stadtrats ausschließen«, erklärte Paloma. »Aber wenn sie Akashi absetzen, schließen sie damit die ganze Westsippe aus. Ich glaube nicht, dass sie das tun werden. Nach dem Gesetz wählt die Sippe ihren Vertreter im Stadtrat selber. Traditionell ist das der Anführer, aber die Sippe könnte sich auch für jemand anderen entscheiden.«
Kayleen starrte mit finsterer Miene zu Boden und scharrte mit den Füßen in der Asche. »Ich will nicht über Politik reden. Ich will darüber reden, wie wir Bryan befreien können. Ich will wissen, ob es ihm gut geht.«
»Ich auch«, sagte ich seufzend. Selbst Kayleen verstand es nicht. »Aber so einfach ist das nicht. Wir müssen diesen Kampf mit politischen Mitteln gewinnen – mit Diskussionen. Nicht mit Gewalt.«
Sie sah mich stirnrunzelnd an. »Wie willst du also die Politik dazu benutzen, in Erfahrung zu bringen, wie es ihm geht?«
Ich schüttelte den Kopf. Ich hatte Fragen, aber keine Antworten. Meine Bemühungen, eine Zukunftsvision für uns alle zu finden, hatten noch keine Früchte getragen. Zeit. Ich brauchte Zeit.
Ein Geräusch weckte meine Aufmerksamkeit, tief und grollend, wie die Maschinen in der Mühle, die die schweren Mühlsteine in Bewegung hielten. Es schien vom Meer zu kommen. Eine Erinnerung drang an die Oberfläche, verschwommen. Ich war klein und bei Chiaro und hatte Angst vor genau diesem Geräusch.
Ich sprang auf und blickte in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Es war nichts zu sehen, nur zu hören. Es war nicht allzu laut, aber es wurde lauter und kam auf uns zu. Dann flammten Lichter auf, die sehr schnell größer wurden. Drei runde weiße Lichter und zwei kleine rote. Jetzt
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