Sternenwind - Roman
Speicher lag leicht, hell und schweigend in meiner Hand. »Kein Grund zur Sorge, Alicia. Auch ich spüre nichts. Es muss etwas damit zu tun haben, dass Joseph und Kayleen die Fähigkeit besitzen, ›den Wind zu lesen‹. Diesen Begriff hat Paloma mir gegenüber erwähnt.«
Alicia warf mir einen strengen Blick zu. »Paloma weiß von unseren Modifikationen? Wozu wir imstande sind?«
Kayleen schürzte die Lippen. »Natürlich. Sie versucht, mehr darüber zu erfahren. Sie setzt sich für uns ein.«
Alicia runzelte die Stirn. »Bist du dir sicher?«
Kayleen bedachte Alicia mit einem misstrauischen Blick. »Sie ist meine Mutter.«
»Paloma ist in Ordnung«, warf ich ein. »Ich glaube, sie wünscht sich, so schnell rennen zu können wie wir.« Ich gab Joseph den Speicher zurück und beobachtete, wie Tiger den Kopf hob, während ihr Wasser vom Bart tropfte. »Sie hat uns studiert und zum Thema Modifikationen recherchiert. Aber sie sagt, dass sie nicht viel herausgefunden hat. Die ursprünglichen Menschen haben in ihren Datenbanken nur wenige konkrete Informationen mitgebracht, kaum mehr als Fußnoten.«
»Was machen wir mit diesem Ding?«, fragte Kayleen. »Hat Jenna gesagt, wozu es gut ist?«
»Nur dass es als Datenspeicher bezeichnet wird. Und sie möchte nicht, dass wir mit Paloma oder Tom darüber reden. Sie sagte, Joseph müsse mehr über die Datennetze lernen, bevor er ihn benutzen kann. Und dass er noch etwas finden muss.«
Joseph steckte den Speicher wieder in die Tasche. »Sie hat uns aufgefordert, nach verborgenen Stellen zu suchen, wo die Modifizierten gelebt und gekämpft haben.«
»Und gestorben sind«, fügte Alicia murmelnd hinzu.
»Aber ich möchte ihn Paloma zeigen«, sagte Kayleen.
Ich schüttelte den Kopf. »Jenna ist überall. Offenbar hat sie auch die Jagd beobachtet. Sie würde es sofort bemerken. Dann bekommen wir vielleicht gar nichts mehr von ihr.« Es wurde kühler und dunkler. Ich zerrte an Tigers Leine. »Wir sollten jetzt lieber die Zelte aufbauen.«
An diesem Abend fanden wir keine Gelegenheit, uns weiter zu unterhalten. Paloma und Tom kehrten zurück, als wir fast mit den Zelten fertig waren. Das größte war für Kayleen und Paloma, die kleineren für Tom und Joseph und für Alicia und mich. Kayleen und Paloma kochten einen Eintopf aus getrocknetem Mais und den Stachelspringern, und Tom und Joseph grillten Djuri-Steaks. Bevor ich gesättigt und müde ins Zelt ging, sah ich zwei weitere Meteore, die sich ihren Weg durch den Himmel brannten. Es war eine der seltenen mondlosen Stunden, und die Lichtblitze strahlten wie winzige Sonnen.
Gianna hatte die Meteore zweifellos in Artistos registriert. Ich unterdrückte ein plötzliches Gefühl der Einsamkeit.
Die Gebras wieherten leise, und leichte Wellen gingen gurgelnd durch die Ufervegetation und ließen die Steine am Strand rollen. Als ich wegdämmerte, fragte ich mich mit dem letzten Rest meines Wachbewusstseins, ob unsere Eltern jemals hier übernachtet hatten, ob sie den gleichen See und die gleichen Monde betrachtet hatten.
In welcher Konstellation auch immer.
Vielleicht hatten sich unsere Eltern sogar an diesem Strand gegenseitig bekämpft.
Kapitel 12
MEINE JAGDBEUTE
Am nächsten Morgen kroch ich aus einem leeren Zelt und wurde von einem missmutigen Himmel und dem Geruch baldigen Regens begrüßt. Alicia saß neben Joseph auf einer Decke und kämmte sich das Haar. Ich setzte mich zu ihnen und wünschte ihnen einen guten Morgen, dann sah ich mir Joseph noch einmal etwas genauer an. Er hatte dunkle Augenringe, und sein Haar stand am Hinterkopf hoch, als hätte er schlecht geschlafen. Er hielt den Datenspeicher in der Hand und zitterte leicht in der Morgenluft. Stirnrunzelnd sah ich ihn an. »Alles in Ordnung mit dir? Hast du hier draußen geschlafen?«
»Nein.« Er blinzelte, während die graue Dämmerung langsam heller wurde, und warf den Speicher von einer Hand in die andere. »Ich glaube, ich habe überhaupt nicht geschlafen.«
Warum hatte Tom nicht dafür gesorgt, dass er seinen Schlaf bekam? »Warst du die ganze Nacht allein hier draußen?«
»Ja.« Er wich meinem Blick aus und betrachtete den See. »Ich hatte beschlossen, so lange wach zu bleiben, bis ich den Knoten repariert habe.«
»Hast du es geschafft?«
Er stieß ein abgehacktes, ironisches Lachen aus. »Ich bin immer noch wach. Aber ich kann ihn hören. Jederzeit. Ich habe die ganze Nacht lang den Diagnosedaten gelauscht. Ich
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