Sternenzauber
ergründen.«
Clemmie sagte nichts. Was gab es da zu sagen? Ivos »Trauma« erinnerte sie an Guy. Jedes verdammte Detail hier erinnerte sie an Guy. Ihr ganzes restliches Leben würde ein erbarmungsloser Reigen herzzerreißender Erinnerungen werden.
»Die Kinder sind sooo aufgekratzt heute Abend«, erklärte Helen. »Und nicht nur sie – wenn auch aus völlig anderen Gründen natürlich. Nun, dann will ich Sie mit den besten Wünschen zum Fest Ihrer Wege schicken, ehe das Wetter wirklich ungemütlich wird. Ich sehe, Sie haben sich mit Ihrem Erscheinungsbild durchaus Mühe gegeben und haben wohl noch eine nette Verabredung, von daher werde ich Sie nicht weiter aufhalten. Ich werde Guy natürlich wissen lassen, dass Sie da waren.«
Fest entschlossen, in der Öffentlichkeit nicht zu heulen oder zu schreien und sich auch nicht auf den Boden zu werfen und den nassen Kies mit den Fäusten zu bearbeiten, dehnte Clemmie die kalten steifen Lippen zu einem gefrorenen Lächeln.
»Ja, tun Sie das. Ich hatte eigentlich nicht erwartet, Sie hier anzutreffen …«
»Ich konnte ihn doch schließlich an Weihnachten nicht allein lassen, oder? Sobald er erfahren hatte, dass seine Eltern verreisen, war er am Telefon und bat mich, zu kommen und zu bleiben. Es ist schwer, Guy etwas abzuschlagen. Und natürlich glimmt da noch immer ein Funke zwischen uns …«
Clemmie wurde richtig übel.
Helen löste eine aschblonde Strähne von ihrem Lipgloss und spähte über Clemmies Schulter. »Ach, Sie haben immer noch diesen alten Peugeot? Haben Sie meinen Wagen gesehen?«
»Nein! Denn sonst …«
Halts Maul, Clemmie, befahl sie sich selbst. Halt einfach das Maul.
»Sie haben wohl sicher den Jaguar erwartet, nicht wahr?«
Clemmie, die offenbar gar nichts erwartet hatte, schüttelte den Kopf.
»Ich habe den alten letzte Woche abgestoßen«, schnurrte Helen. »Es war zu peinlich, auf dem Weg zur Schule mit dem Modell vom Vorjahr gesehen zu werden. Die Kinder haben sich geschämt, und ich musste ernsthaft befürchten, sie könnten gehänselt werden. Der neue steht da drüben. Hübsch, nicht wahr?«
Clemmie schluckte die Mischung aus bitterer Enttäuschung, brennendem Schmerz und flammendem Zorn, die sie zu ersticken drohte, herunter, wandte sich um und floh durch das Unwetter türenknallend in den bescheidenen Unterschlupf, den der Peugeot ihr bieten konnte.
Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Helen mit triumphierendem Lächeln die Tür zumachte.
»Neeiin!«, schrie Clemmie und hämmerte mit den Fäusten aufs Lenkrad. »Wie konnte er das tun – und mir das antun? Der
Mistkerl! Ich hasse ihn! Und Helen auch! Aber ihn am meisten – zum Teufel, ich hasse ihn!!!«
Blindwütig ließ sie die Gangschaltung krachen und steuerte den Peugeot ruckelnd vom Bootshaus fort.
Die zornigen Tränen ungeduldig fortwischend hielt sie an der Baustellenampel vor Winterbrook und fragte sich, wohin in aller Welt sie fahren könnte. Nicht nach Hause. Es war viel zu früh und außerdem würden Molly und Bill mitfühlend und freundlich reagieren, und das würde alles nur noch schlimmer machen.
Die Scheibenwischer zuckten höhnisch hin und her; das Rotlicht wirkte im prasselnden Regen dumpf und verschwommen, durch ihre Tränen verstärkte sich der Effekt noch.
Bei diesem Wetter und in dieser Verfassung durch die Gegend zu fahren, war Irrsinn, wurde Clemmie klar. Sie war nicht in der geeigneten Verfassung, überhaupt Auto zu fahren. Aber wo sollte sie hin? Alle ihre Freundinnen hatten eine Beziehung und diese traute Zweisamkeit könnte sie einfach nicht ertragen. Nicht heute Abend.
Aber mit Phoebe war es doch etwas anderes. Phoebe und Ben kannte sie seit Kindertagen. Die beiden hätten nichts dagegen, wenn sie für eine Stunde hereinschneite, um sich auszuweinen. Nicht etwa, beschloss Clemmie, als die Ampel auf Grün schaltete und sie von der Baustelle in Richtung Hazy Hassocks fuhr, dass sie vorhatte, Phoebe die ganze traurige Geschichte zu erzählen.
Auf keinen Fall.
Schließlich gelang es ihr, in der dunklen und nassen Winchester Road einen Parkplatz zu finden. Clemmie eilte den Weg zu Phoebes Haus entlang und klingelte. Vielleicht waren sie ausgegangen? Vielleicht hätte sie vorher anrufen sollen?
Anrufen … Warum zum Teufel hatte Guy sie eigentlich nicht
angerufen, um ihr zu sagen, dass er seine Pläne geändert und Helen eingeladen hatte?
Warum nicht? Clemmie biss die Zähne zusammen. Natürlich, weil er eindeutig dafür sorgen wollte, dass sie wusste,
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