Sternenzauber
sie kriegte sich nur mühsam wieder ein und schlug die langen Beine übereinander, »ich weiß, das kommt Ihnen bestimmt alles ein bisschen merkwürdig vor, aber hier geht’s nicht um Schmuddelkram. Weit entfernt. Mit dieser Kamera wurde noch kein einziger nackter Körper aufgenommen. Leider bekommen wir reichlich seltsame Post – aber das geht heute wohl vielen Leuten so. Bitte setzen Sie sich doch, Miss Coddle, ich werde Ihnen alles erklären. Ach, und eigentlich finde ich Miss Coddle ja viel zu förmlich – pardon, nachlässigerweise habe ich mir Ihren Vornamen gar nicht aufgeschrieben.«
»Clemmie«, sagte Clemmie und stand immer noch wie angewurzelt da.
»Wie nett. Sehr hübsch. Passt zu dir. Eine Abkürzung von Clementine?«
»Ja.«
»Nach der kleinen Orangenfrucht oder nach dem australischen Evergreen?«
»Nach der Frau von Winston Churchill. Mein Vater hat meiner Mutter den Heiratsantrag im Park von Blenheim Palace gemacht.«
»Tatsächlich?« Die Blonde hob die makellos geformten Augenbrauen. »Wie romantisch. Nun, Clemmie, setz dich doch bitte, es geht um Folgendes …«
Nachdem Clemmie sich vergewissert hatte, dass die blaue Tür hinter ihr nicht abgeschlossen worden war, hockte sie sich zögerlich auf die Kante des zweiten Sessels. Ihr Instinkt sagte ihr nach wie vor, dass sie sich besser dankend verabschieden und schnurstracks zu ihrem Auto zurückgehen sollte. Andererseits war eindeutig ihre Neugierde geweckt, die blonde Frau wirkte recht nett, und sie brauchte doch einen Job.
»Stört es dich, wenn ich rauche?« Die Blonde hörte auf, in ihrer kleinen Handtasche herumzukramen, die genau zu ihren glänzenden Stiefeln passte. »Ich hätte durchaus Verständnis dafür.«
Clemmie schüttelte den Kopf. »Bitte, nur zu. Ich bin nicht bei den militanten Nichtrauchern. Wenn ich ein bisschen beschwipst bin, zünde ich mir manchmal selbst eine an. Aber natürlich kommt das nicht oft vor, ich meine, dass ich beschwipst bin«, beeilte sie sich hinzuzufügen, denn derlei Geständnisse wirkten bei einem Bewerbungsgespräch wahrscheinlich nicht besonders vorteilhaft. »Nein danke, jetzt möchte ich keine, vielen Dank. Bitte, nur zu.«
Die Blonde holte einen kleinen emaillierten Taschenaschenbecher, ein goldenes Feuerzeug und ein Päckchen Zigaretten einer fremdländischen Marke aus ihrer Tasche und legte sich alles zurecht, dann zündete sie eine langstielige Zigarette an und sog genüsslich den Rauch ein.
»Herrlich.« Sie klimperte mit den riesigen Wimpern und sagte zu Clemmie: »Und bedien dich nur, wenn du das Bedürfnis verspürst. Also, wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, das Geschäft.«
Sie lehnte sich im Sessel zurück und erklärte mit ihrer rauen, heiseren Stimme, sie seien eine Firma mit Sitz in Winterbrook und suchten jemanden, der sich am Computer einigermaßen auskannte, sich um die Aktenablage kümmerte, Daten eingab, Sekretariatsarbeiten übernahm, Termine vereinbarte, die Korrespondenz erledigte, ans Telefon ging und ganz allgemein aushalf, wann und wo es gerade erforderlich war.
»In den guten alten Zeiten«, gluckste die Blonde und schnippte Zigarettenasche in den Aschenbecher, »hätten wir in die Anzeige geschrieben: Mädchen für alles gesucht. Aber da heutzutage immer alles so grauenhaft politisch korrekt zugehen muss, haben wir das Stellenangebot dementsprechend etwas langweiliger und einseitiger formuliert, aber du verstehst schon, was ich meine, oder?«
Clemmie nickte. »Mädchen für alles« klang schon okay für sie. Ein größerer Aufgabenbereich beinhaltete ja vielleicht auch bessere Bezahlung. Solange sie dabei die Kleider anbehielt und sich nicht hinlegen musste …
Ihren Universitätsabschluss geflissentlich verschweigend – sie hatte rasch gelernt, dass die meisten potenziellen Arbeitgeber sie sonst für die Art von Jobs, um die sie sich bewarb, für hoffnungslos überqualifiziert hielten und deshalb ablehnten – bestätigte sie, dass sie in allen genannten Bereichen über
reichhaltige Erfahrung verfügte und diese Aufgaben problemlos meistern könne.
»Wir brauchen jetzt gleich jemanden; die Person, die wir eigentlich als Mutterschutzvertretung unserer regulären Sekretärin eingestellt hatten, hat uns übel hängen lassen. Stehst du ab sofort zur Verfügung?«
»Ja.« Clemmie nickte. »Ich, äh, habe meinen letzten Job gestern beendet.«
»Irgendwelche Referenzen?«
Clemmie fummelte an den Ärmeln ihrer Samtjacke herum. »Einige schon, allerdings nicht
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