Sternenzauber
Worte dir mehr Glück bringen als Scarlett O’Hara.«
»Scarlett, wenn du dich recht erinnerst, hat jede Gelegenheit beim Schopf gepackt und das Beste daraus gemacht. Sie war eine Frau ganz nach meinem Geschmack, und ich verspreche dir, du erfährst als Erste, wie es morgen gelaufen ist – oh, urgh!« Clemmie prustete. »Da sind kleine tote Frösche im Wein!«
»Die Berkeley-Boys haben gesagt, der Wein sei alle. Dies hier ist Martini – zum halben Preis, weil Dorchester meint, sie hätten ihn wohl schon seit 1986 – und das da sollen Oliven sein.«
»Ach, welch süßes Luxusleben!« Clemmie fischte die Oliven heraus und sah zu, wie sie, steinhart wie Murmeln, in eine schmierige Rille der Tischplatte kullerten. Sie hob erneut ihr
Glas und lehnte sich mit unangenehm auf dem klebrigen Fußboden verankerten Füßen auf dem wackeligen Stuhl zurück. »Zum Wohl, Phoebe. Eines steht jedenfalls fest – was auch immer morgen kommen mag, besser als das hier ist es garantiert!«
3. Kapitel
D er nächste Morgen war bleigrau, neblig und bitterkalt. Kurz vor zehn ging Clemmie, in ihrem besten Vorstellungsoutfit, einem langen schwarzen Rock mit einer grünen Samtjacke, zu der ihre schönsten Kunstsmaragd-Ohrringe von Butler and Wilson aus ihrer wilden Mähne hervorfunkelten, vor einem kleinen Bürogebäude aus Gasbeton an einer der labyrinthartigen Straßen des Gewerbegebiets von Winterbrook bibbernd auf und ab.
Die Gegend war menschenleer. Vor den benachbarten Gebäuden standen reihenweise Autos und sicher waren hinter verschlossenen Türen jede Menge eifriger Mitarbeiter für alle möglichen und unmöglichen Firmen tätig – doch bei Nummer 19, wo ihr Vorstellungsgespräch stattfinden sollte, regte sich keinerlei Lebenszeichen. Clemmie hatte sich bereits vergewissert, dass sie sich nicht verhört hatte und nicht etwa zu Nummer 90 musste, dabei aber entdeckt, dass die Hausnummern mit der 50 endeten.
Sie war also zur richtigen Zeit am richtigen Ort, doch bei Nummer 19 sah man nur eine dunkelblaue Tür und ein kleines jalousienverhängtes Fenster und sonst gar nichts. Nicht einmal ein Namensschild. Nicht, dass ein Namensschild viel geholfen hätte, da die Frau am Telefon den Namen der Firma gar nicht verraten hatte. Clemmie beschlichen ernsthafte Zweifel an dieser ganzen Unternehmung.
Offenbar war das irgendein Schwindel. Ein Jux und reine Zeitverschwendung. Sie zitterte immer stärker und schaute erneut deutlich verstimmt auf die Uhr. Es sah nicht so aus, als würde bald jemand von dieser namenlosen Firma auftauchen. Nachdem sich weitere fünf Minuten im Schneckentempo dahingeschleppt hatten, ging sie zu ihrem Auto zurück. Ihre Freunde amüsierten sich immer darüber, dass Clemmie einen nüchternen schwarzen Peugeot mit Fließheck fuhr. Sie fanden wohl, es würde besser zu ihr passen, in einem regenbogenfarbenen Austin Cambridge mit dem Kosenamen Peggy durch die Gegend zu gondeln.
Sie öffnete gerade die Fahrertür, um zur Redaktion des Winterbrook Advertiser zu fahren, die auch in diesem Gewerbegebiet lag, und die für Stellenanzeigen zuständigen Mitarbeiter aufzufordern, die Glaubwürdigkeit ihrer Kunden zu überprüfen, bevor sie Annoncen aufnahmen, mit denen verzweifelte Arbeitssuchende nur ihre Zeit vergeudeten, als ein dunkelroter Geländewagen ruckartig neben ihr zum Stehen kam.
»Entschuldigung!«, gurrte eine schlanke, exquisit geschminkte blonde Frau mit rauchiger Stimme durchs geöffnete Fenster. »Tut mir wahnsinnig leid! Sind Sie Miss Coddle? Warten Sie schon lange? Verdammte Baustellen! Ein Momentchen bitte!«
Clemmie wartete. Die blonde Frau glitt vom Fahrersitz und kam über den Parkplatz getänzelt. Clemmie blinzelte. Sie war selbst schon recht groß, doch diese Frau überragte sie deutlich. Sie war bestimmt über eins achtzig. Mit ihrem topmodischen Make-up, dem kunstvoll zerzausten platinblonden Haar und dem gewagt weit ausgeschnittenen, eng anliegenden Wollkleid unter einem offenen weichen Plüschpelzmantel und in hohen Stiefeln, alles eindeutig Designersachen, war sie von der untersetzten Bunty Darrington und der Gesundheitsschuh-Brigade
Lichtjahre entfernt. Es war, als stünde man auf einmal einem Topmodel wie Gwen Stefani gegenüber.
»Miss Coddle!« Die Frau lächelte, wobei man das Ergebnis einer perfekten kosmetischen Zahnbehandlung zu sehen bekam, und streckte eine elegante, reich beringte Hand mit dunkelroten Fingernägeln aus. Ein Hauch teuren und exklusiven Parfüms umwehte sie.
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