Sternenzauber
Tagesplan dazulassen. »Nimm es nicht persönlich – aber es ist einfacher für mich, wenn ich bei Außenterminen und Besprechungen unterwegs bin. Gott sei Dank wird diese Invasion ja bald vorüber sein.«
Nachdem sich seit Halloween keine Gelegenheit ergeben hatte, ihm von ihrer Entdeckung mit dem Grünen Mann zu erzählen, hatte Clemmie ihre handschriftlichen Notizen mit nach Hause genommen und die Abende damit verbracht, im Schuppen hinterm Postladen ihre eigene Version von Allbards Rezept zu mischen.
Chlorophyll war leicht zu bekommen gewesen – nach den jüngsten schweren Herbstregenfällen gab es noch immer reichlich saftig grünes Gras in Bagley-cum-Russett – und Clemmie war erfahren und geübt darin, mit ihrem kleinen Ofen, Reagenzgläsern und einem Bunsenbrenner aus getrockneten Rohstoffen Präparate zu extrahieren. Die pulverisierten Kupfersalze waren ebenfalls leicht aufzutreiben gewesen – auch wenn die Dorfbewohner ihr sehr verwundert und kopfschüttelnd dabei zugesehen hatten, wie sie vom Geländer um das örtliche Keltenkreuz und von mehreren altertümlichen Urnen auf dem Kirchhof den Grünspan abgekratzt hatte.
Über Wichel jedoch hatte sie sich lange den Kopf zerbrochen, bis sie das Problem am vergangenen Freitag beim Abendessen mit Onkel und Tante angesprochen hatte.
»Ach ja! Das erinnert mich an alte Zeiten, Clemmie! Wichel nannten wir damals, als wir noch Kinder waren, die Weidenbäume. Ich glaube, Wichel ist ein alter Name, der heute in der Botanik wohl kaum noch verwendet wird«, hatte Onkel Bill erklärt und seine Chips großzügig mit Essig beträufelt. »Ich nehme an, mit dem Saft ist die Flüssigkeit gemeint, die hervorquillt, wenn man die Rinde abschabt.«
Tante Molly hatte genickt. »Für Weidenbäume gab es viele Namen und viele Verwendungszwecke. Meine Großmutter ließ uns Weidenstückchen kauen, wenn wir Kopfschmerzen hatten. Wichel hat wirklich gut geholfen. Ja, die Weide ist ein richtiger Zauberbaum.«
Da hatte Clemmie die beiden geküsst, ganz untypisch ihren Teller mit Fish and Chips halb gegessen stehen lassen, war in die stürmische Finsternis hinaus zu den jämmerlich vernachlässigten Weiden hinter dem Barmy Cow gerannt und hatte aus mehreren Stämmen unauffällig einige Stücke herausgeschnitten.
Wieder im Schuppen, nachdem alle Zutaten getrocknet, zermahlen und vermischt worden waren, hatte Clemmie die pulversierte Mischung aufgeregt in einige aus dem Laden stibitzte Einmachgläser abgefüllt. Als sie triumphierend ihr Werk betrachtete, glaubte sie genau zu verstehen, wie Louis Pasteur sich einst gefühlt haben musste.
Aber wie es so schön heißt, ging Probieren natürlich über Studieren. Sobald Helen mit Kacki, Kotzi, Rotz und Ratte abgereist wäre, würde sie Guy alles erklären, sie könnten gemeinsam eine kontrollierte Explosion durchführen – und er würde wer weiß was geschehen.
Zu diesem Zweck hatte sie ein einzelnes Glas mit hausgemachtem Zaubergrün-Pulver mit ins Büro genommen und wartete auf eine Gelegenheit, es mit Guy zusammen auszuprobieren. Derzeit brannte es bildlich gesprochen schon fast ein Loch in ihre Schreibtischschublade.
Der fünfte November zog sich schleppend dahin. Zum Glück war es der Tag, an dem, laut Terminplaner, den Helen nervtötenderweise im Büro an die Wand gehängt hatte, die Kinder nach der Schule ihren Skikurs hatten und anschließend irgendwo weit weg zu einer eigenen Feuerwerksparty gingen, sodass sie mit etwas Glück für den Rest des Tages aus dem Weg wären. Und dann, heute Abend … Clemmie seufzte in freudiger Erwartung. Heute würde sie den ganzen Abend mit Guy verbringen und ihm als Ersatzgeliebte in YaYas Vertretung nicht von der Seite weichen, um die lüsternen Avancen von Tarnia Snepps abzublocken.
Sie konnte es kaum erwarten.
Suggs kletterte auf ihren Schoß und stupste sie sanft von unten mit dem Kopf ans Kinn.
»Ich weiß.« Sie gab ihm einen Kuss. »War alles ganz schön scheußlich, nicht wahr? Mach dir nichts draus, bald sind sie wieder weg.«
»Sie müssen übergeschnappt sein«, spottete Helen, die unangekündigt ins Büro gerauscht kam, »mit diesem Vieh zu reden – und mit ihm zu schmusen! Ich würde es ertränken, wenn ich es in die Finger bekäme!«
Suggs wimmerte und schmiegte sich enger an Clemmie.
»Wollten Sie was?«, fragte Clemmie eisig und barg Suggs fest unter ihrem Arm. »Guy ist nicht da.«
Helen warf ihr elegant geschnittenes blondes Haar zurück und schnippte einen
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