Sternenzitadelle
die ihn vorhin überfallen hatte, und kletterte ins Fahrerhaus zurück.
»Was ist los, Todes-Schrei?«, fragte der Chauffeur.
»Ein Schwefelsturm. Halt an. Wir müssen unsere Masken aufsetzen.«
»Wollen wir nicht zuerst unserem Kumpel, Hals-Brecher, zu Hilfe kommen?«
»Erst müssen wir die Masken aufsetzen, sonst kommen wir alle um.«
Der Chauffeur nickte und hielt. Das Fahrzeug stand kaum, da wurde es von einem gelben, den Atem raubenden Dunst eingehüllt. Die Sichtweite war gleich null. Feinste Schwefelpartikel drangen in jede Körperöffnung, jede Pore, jeden Spalt und jede Ritze ein.
Whu legte sofort seine Maske an. Die plötzliche Sauerstoffzufuhr löste ein euphorisches Gefühl in ihm aus. Das war äußerst gefährlich, denn gerade in einer derartigen Situation musste er einen klaren Kopf behalten, um die Sicherheit seiner Männer zu garantieren, während die gefangenen Jungen nichts riskierten, denn die Mutation ihrer Atmungsorgane schützte sie. Doch für seine Männer, die fast alle aus anderen Welten stammten, wäre ein solcher Sturm ohne Schutz tödlich.
Whu stieg aus der Fahrerkabine. Die Sicht betrug etwa dreißig Zentimeter. Seine Umgebung konnte er kaum noch erkennen. Und der Motor des Lasters gab seinen Geist auf. Jetzt war nur noch das Heulen des Windes zu hören.
Er hörte Schüsse, sah undeutlich irgendwelche Gestalten.
In dieser extremen Lage stellte er sich wieder den Strom vor, der ihn zum Xui-See führte. Nur selten nahm er jene alten Techniken zu Hilfe, weil er sich dann immer schämte, sein altes Wissen zu missbrauchen – schließlich waren seine Ziele alles andere als nobel. Doch weil er keine Waffe hatte und die Abrazzen ihn jeden Augenblick überwältigen konnten, blieb ihm keine andere Wahl.
Also stemmte er sich fest gegen den stürmischen Wind voller Schwefelpartikel, die auf seiner Haut brannten.
Whu erinnerte sich an die Lehren an den Gestaden des Meeres der Feen von Albar. Seine Lehrer pflegten dort ihre Schüler den Zustand der inneren Stille zu lehren und das inmitten der entfesselten Elemente der Natur.
Wie oft ist es mir passiert, dachte der einstige Ritter, dass ich jedes Zeitgefühl verloren habe und dann merkte, dass mein Lehrer und meine Mitschüler schon längst gegangen waren, als ich aus dem Xui wieder auftauchte, mich selbst aber ein unendliches Gefühl der Fülle und Vollkommenheit beherrschte.
Dieselben Empfindungen hatte er jetzt inmitten des Schwefelsturms, ein Bedürfnis, sich nicht von den Elementen beherrschen zu lassen, sondern eins mit der Stille zu werden und Kraft aus dieser Urenergie zu schöpfen.
Manchmal hatte er sich gefragt, ob die Weisen des Klosters nicht neidisch gewesen waren, weil er einen so leichten Zugang zu dem Xui hatte, und ihn deshalb ins Exil auf Bradebent geschickt hatten.
Plötzlich tauchte dicht vor ihm eine Gestalt auf, ein völlig nackter Abrazze. Er zielte mit einer doppelläufigen Flinte auf Whus Brust. Whu stieß den Todesschrei aus. Der Mann schwankte und stürzte zu Boden. Durch den Schock löste sich mit einem ohrenbetäubenden Knall ein Schuss,
und Whu hatte das Gefühl, als würde er von einem Raubtier ins rechte Bein gebissen. Schrotkugeln steckten in seinem Schienbein und in der Wade. Ein eisiger Schauder ließ ihn frösteln. Er unterdrückte den Schmerz und humpelte über die Straße, immer bemüht, das Xui in sich zu bewahren. Undeutlich sah er, wie schattenhafte Gestalten auf den Lastwagen kletterten. Der Schmerz lähmte seine ganze rechte Seite, Blut quoll aus seinem Stiefel. Er hörte Schüsse und Kampfgeräusche.
Ich muss einen Ort finden, wo ich meine Wunde versorgen und die Blutung stoppen kann, dacht Whu. Meine Leute können sich selbst versorgen, und helfen kann ich ihnen ohnehin nicht.
Er humpelte weiter, auf die niedrigen Häuser zu. Jeder Schritt war qualvoll, fast unerträglich durch den Schwefel, der in die offenen Wunden eindrang.
Eine halb offen stehende Tür schlug gegen den Rahmen. Er schlüpfte leise in das Haus und schob den Vorhang zwischen Flur und Zimmer beiseite. Da hörte er ein höhnisches Lachen, gefolgt von einem Entsetzensschrei. Whu nahm seine Maske ab, weil er durch sie kaum etwas sehen konnte. Hier drinnen konnte er die Luft atmen.
Als sich seine Augen an das Halbdunkel gewöhnt hatten, sah er auf dem Boden eine Atemmaske und eine Sauerstoffflasche liegen und eine alte Frau mit aufgeschlitztem Bauch. Aus dem Nebenzimmer hörte er Stimmen, tauchte wieder tief in den See des
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