Sternhagelverliebt
manikürten Hand, als könnte sie gestohlen werden, wenn sie nicht aufpasst.
Beim Zuhören frage ich mich, weswegen es leichter sein soll, den Tag ohne Alkohol zu überstehen, wenn man mit Fremden redet. Denn während ich hier sitze und daran denke, dass man von mir erwarten könnte, etwas Persönliches mit diesen Menschen zu teilen, wünsche ich mir nichts sehnlicher als einen Drink – genau wie während der Entziehungskur. Wenn Tag für Tag hierherzukommen und meine » 30 in 30 « zu absolvieren also den Wunsch in mir weckt, zu trinken, was soll ich dann tun? Wie soll ich irgendetwas überwinden?
Am Ende der Stunde stehen wir auf, klatschen und sprechen das Gelassenheitsgebet. Zum ersten Mal spüre ich bei den vertrauten Worten, bei der auswendig gelernten Wiederholung so etwas wie Trost. Als das Treffen beendet ist, verabschiede ich mich von Amber und durchquere den Raum, um Amy zu begrüßen. Wir umarmen uns.
»Tja, wie ich sehe, hast du es überstanden«, sagt sie und hält mich auf Armeslänge von sich entfernt.
»Schätze schon.«
»Du siehst besser aus, Katie. Gesünder.«
»Gestern bin ich fünfundzwanzig Minuten am Stück gelaufen.«
»Hey, hey, hey. Ich habe dir ja gesagt, dass du es schaffen kannst.«
Wir gehen die Treppe hinauf und treten hinaus in den späten Nachmittag. Die hupenden Autos und Abgase machen etwas von dem Frieden zunichte, den ich im Keller gefunden habe.
»Also … Du bist mit Amber zusammen zu dem Treffen gekommen?«
»Das ist eine Geschichte, die mindestens zwei Tassen Kaffee dauert.«
Sie sieht neugierig, aber unentschlossen aus. »Tja … Eigentlich sollte ich wieder zur Arbeit zurück …«
»Dann machen wir das ein andermal. Ich will dich nicht in Schwierigkeiten bringen.«
»Weißt du was? Die Bosse sind alle bei einem Golf-Event der Firma, also lass uns einen Kaffee trinken gehen.«
Wir gehen zum nächsten Coffeeshop und machen es uns mit zwei teuren Kaffees gemütlich. Zwei Tassen später habe ich Amy mein Herz ausgeschüttet, und sie hat angemessen oft nach Luft geschnappt und weit die Augen aufgerissen.
Sie rührt im Kaffeesatz in ihrer Tasse herum. »Klingt, als hättest du ein paar echt wilde Tage erlebt.«
»Das fasst es ziemlich genau zusammen.«
»Warum erzählst du mir das alles überhaupt?«
»Ich denke, ich … versuche, Wiedergutmachung zu leisten.«
Sie drückt meine Hand. »Bei mir musst du dich nicht entschuldigen, Katie.«
»Doch, das muss ich. Du warst mir in der Entzugsklinik eine echte Freundin, und ich war nicht ehrlich zu dir.«
»Mach dich deshalb nicht fertig.«
»Ich versuche es.«
Schließlich stehen wir auf und gehen zum Ausgang.
»Also, was hast du jetzt vor?«, fragt sie.
»Nach Hause gehen und so lange schlafen, wie ich kann, bevor ich meinen Traumjob antrete.« Ich lege meine Hand auf den Griff, um die Tür zu öffnen, aber irgendetwas hält mich zurück. »Alles wird gut, oder?«
»Das hoffe ich, Katie.«
Von Sonntagnacht auf Montagmorgen wache ich jede Stunde auf. Die roten Leuchtziffern auf meinem Wecker verkünden wütend die Zeit. 1 : 00 Uhr! 2 : 00 Uhr! 3 : 00 Uhr! Na, na, na, na, na, na. Versuch zu schlafen, wenn du kannst.
Um 6 : 00 (!) Uhr gebe ich auf und schäle mich aus dem Bett. Mit Rücksicht auf Joanne (ausnahmsweise einmal) gehe ich leise in die Küche und stelle die Kaffeemaschine an. Ich brauche definitiv eine Extraportion Koffein.
Nach dem Joggen, zwei Riesenbechern Kaffee, einem gesunden Frühstück, einer Dusche und einem langen Kampf mit meinem Kleiderschrank, um das perfekte Outfit »für den ersten Tag vom Rest meines Lebens« zu finden (ich messe diesem Tag eindeutig zu viel Bedeutung bei), verlasse ich die Wohnung. Mir bleibt noch genug Zeit, um zum Büro von
The Line
zu laufen, also muss ich mich nicht dem Stress aussetzen, im Stau zu stehen oder in der U-Bahn steckenzubleiben, falls sie möglicherweise ausfällt. Nichts, aber auch gar
nichts
kann mich heute daran hindern, pünktlich zu sein.
Gut, nichts außer …
Vier Blocks von meinem Ziel entfernt, komme ich an einem Zeitschriftenstand vorbei – und da ist er, nur undeutlich zu erkennen durch den schweren Plastikvorhang: ein Stapel der neuesten Ausgabe von
Gossip Central,
die einen Artikel enthält, den niemand anders geschrieben hat als ich. Ich drehe den Stapel etwas um, damit ich ihn besser sehen kann. Auf dem Cover ist ein Partybild von Amber, und die Headline lautet:
»In der Entzugsklinik mit Camber!«
So viel zu
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