Sternhagelverliebt
5 der schlimmsten Dinge, die ich je getan habe – ohne besondere Reihenfolge:
1 . Als ich von zu Hause wegging, ließ ich mehr als nur Zack zurück. Ich ließ jeden Einzelnen meiner Freunde von der Highschool fallen – bis auf Rory. Und sosehr ich sie auch liebe, hätte ich den Kontakt zu ihr wahrscheinlich auch abgebrochen, wenn sie nicht mitgegangen wäre. Ich redete mir immer ein, dass ich nur so gehandelt hätte, weil sie bloß Freunde aus der Nachbarschaft waren und wir sowieso nicht viel gemeinsam hatten. Doch tief in meinem Innern kenne ich den wahren Grund: Ich mochte meine Freunde auf der Highschool und ich hatte auch vieles mit ihnen gemeinsam, aber ich wollte das alles nicht mehr. Ich ließ sie genauso absichtlich fallen, wie ich meinen Akzent, meine voluminöse Frisur und den blauen Eyeliner ablegte, die auf der Highschool meine Markenzeichen gewesen waren. Ich dachte, sie würden mich runterziehen, also kappte ich die Fesseln.
2 . Vor vier Monaten schrieb ich auf der Herrentoilette unserer Lieblingsbar etwas Gemeines über Greer an die Klowand. Ich war wütend auf sie, weil sie mir den Kerl weggeschnappt hatte, mit dem ich gerade geflirtet hatte. Anscheinend hatte er auch Interesse an mir gehabt, bis sie mit ihrem rotbraunen Haar, ihrer Porzellanhaut und ihrem verführerischen Akzent aufgetaucht war. Mitten im Satz war er verstummt, als sie sich zu uns an den Tisch gesetzt hatte, und ab dem Moment war ich unsichtbar gewesen. Eine Woche lang hatte sie sich anschließend mit ihm getroffen … Ich musste an dem Abend übrigens allein nach Hause gehen – aber nicht, ehe ich nicht ihre Telefonnummer, ihre E-Mail-Adresse und eine anstößige Bemerkung darüber, wie außerordentlich gut sie blasen könne, mit Lippenstift über die Urinale geschrieben hatte … Sie bekam daraufhin so viele Anrufe, Kurznachrichten und E-Mails, dass sie ihre Nummern ändern musste. Bis heute weiß sie nicht, wer das getan hat. Aber ich weiß inzwischen, was sie mit demjenigen anstellen will, wenn sie ihn erwischt, und das ist nicht schön.
3 . Drei Wochen nachdem Rory und Dave angefangen hatten, sich zu treffen, lief ich ihm und seinen Freunden in einer Bar in die Arme und warf mich ihm nach zwei Krügen wässrigen Biers an den Hals. Er wies mich zurück, und keiner von uns hat es Rory je erzählt. Bis zum heutigen Tag ist es eine peinliche Situation, wenn wir beide kurz allein sind, obwohl ich mich unzählige Male entschuldigt habe.
4 . Die Hälfte meiner guten Freunde glaubt, dass ich eine 25 -jährige Studentin im Abschlussjahr bin. Mehr muss ich dazu nicht sagen.
5 . Ich habe zugestimmt, mich in die Entzugsklinik einweisen zu lassen, um eine Enthüllungsgeschichte über Amber Sheppard zu schreiben. Auch dazu muss ich nicht mehr sagen.
Mein Gott, ich will einen Drink. Nur einen kleinen Drink, um den Lärm in meinem Kopf zu dämpfen. Und ich weiß, dass es erbärmlich ist, an
Alkohol
zu denken und ihn zu vermissen, nachdem ich gerade erst eine Liste der schlimmsten Dinge geschrieben habe, die ich getan habe, eine Liste, die eigentlich ein Schritt auf dem Weg sein sollte, mit dem Trinken aufzuhören. Aber je öfter ich mir das sage, desto dringender wird mein Wunsch nach einem Drink.
Nur.
Einen.
Kleinen.
Drink.
Statt die Tage zu zählen, an denen ich nüchtern war, zähle ich die Tage, bis ich die Klinik endlich wieder verlassen kann. Bis ich endlich wieder tun kann, was ich will und wann ich es will. Doch ich weiß nicht, wann ich gehen kann, weil ich nicht weiß, wann Amber gehen kann. Was mich zurück zu Punkt 5 auf meiner »Schäm dich!«-Liste bringt. Und das weckt wiederum den Wunsch nach Alkohol in mir.
Nur.
Einen.
Kleinen.
Drink.
Scheiße, Scheiße,
Scheiße.
Ich bin mir nicht sicher, was sich schlimmer anfühlt: die schlechtesten Seiten an mir zuzugeben oder zu gestehen, wie unglaublich gern ich jetzt etwas trinken würde. Und was sagt das über mich aus, dass ich in diesem Moment so gern Alkohol trinken würde? Ich habe das Gefühl, dass in der Antwort auf die Frage mehr Wahrheit steckt, als ich ohne einen Drink in meiner Hand verkraften kann.
Wusch. Ein Papierflieger saust an meinem Ohr vorbei und landet auf meinem Schoß. Ich wende den Kopf und erhasche noch einen Blick auf den Rücken von – war das Henry?
Ich nehme den Papierflieger in die Hand und falte ihn auseinander. Darauf steht: Die Kriegsspiele beginnen um
23:15 Uhr
heute Abend im Spielzimmer. Bitte komm. Dann folgen noch
Weitere Kostenlose Bücher