Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sternschnupperkurs

Sternschnupperkurs

Titel: Sternschnupperkurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jill Mansell
Vom Netzwerk:
Bruder Leo bei mir auf und gab den Fünfer zurück. Offenbar hatte er herausgefunden, dass Harry meine Katze entführt und sie in der Garage seines Vaters versteckt hatte. Kennen Sie Leo?«, fragte Merle plötzlich. »Harrys älteren Bruder?«
    »O ja.« Suzy atmete schwer und war froh über die eiskalte Luft auf ihren Wangen. »Ich kenne Leo.«
    »Jedenfalls faszinierte mich der Artikel. Noch mehr, als ich das Foto sah. Es wurde in der Nacht von Harrys Unfall geschossen«, führte Merle aus. »Sie kamen im Krankenhaus an, um ihn zum ersten Mal nach dem Unfall zu besuchen … ohne Schuhe und völlig aufgelöst …«
    »Ich erinnere mich noch gut an diese Nacht«, meinte Suzy gefühlvoll. Als ob sie diese Nacht jemals würde vergessen können.
    »Neben Ihnen war Lucille zu sehen. Ich erkannte sie sofort und kam zu dem Schluss, dass Sie beide sich gefunden hatten.« Merle warf einen Blick auf Suzy und lächelte traurig. »Als Erstes rief ich Blanches alte Nummer an – ich konnte es kaum erwarten, ihr zu sagen, wie begeistert ich war, dass alles eine so gute Wendung genommen hatte. Da fand ich heraus, dass sie vor Kurzem gestorben ist. Die Frau am Telefon erzählte es mir.«
    Frau? Sie meinte Gabriella, wurde Suzy klar. »Ein Herzinfarkt. Mitten im Schlaf.«
    »Die arme Lucille. Sie muss am Boden zerstört gewesen sein. Sie beide natürlich«, fügte Merle hastig hinzu.
    Suzy wechselte rasch das Thema. »Leo Fitzallan hat das Haus gekauft. Sie haben mit seiner Verlobten gesprochen.«
    »Ach tatsächlich? Sie sagte mir, wenn ich Kontakt zu einem der Kinder von Blanche aufnehmen wolle, solle ich Sie bei Curtis & Co anrufen. Aber ich wollte persönlich mit Ihnen sprechen. Ich würde auch gern Lucille sehen, wenn Sie Zeit hat.«
    Sie erreichten die Hügelkuppe, die zur Brücke führte. Das steif gefrorene Gras knirschte unter Suzys höchst unpraktischen K.-Bennett-Stöckelschuhen. Sie strich sich mit Eiszapfenfingern die Haare aus dem Gesicht. »Lucille ist gerade nicht in der Gegend. Sie ist … weg.«
    Merle wirkte überrascht. »Kommen Sie nicht gut miteinander aus?«
    »Nein … ich meine, ja, wir verstehen uns glänzend, aber sie brauchte etwas Abstand.«
    Von mir, dachte Suzy kläglich. Weil ich so ein Idiot bin. Ich habe sie fortgetrieben. Und jetzt weiß ich nicht, ob sie jemals zurückkommen wird.
    »Abstand?«
    »Es war alles meine Schuld«, murmelte Suzy zutiefst beschämt.
    »Blanche war immer so sicher, dass Sie beide sich prächtig verstehen würden.« Merle klang sanft. »Sie muss begeistert gewesen sein.«
    O Gott, noch mehr Erklärungen. Während sie in Richtung St. Vincent’s Rocks und Observatorium gingen, umriss Suzy die Ereignisse während Blanches Beerdigung, das unerwartete Auftauchen von Lucille und die nachfolgende Testamentsverlesung.
    Als sie geendet hatte, nickte Merle wissend. »Blanche hatte immer vermutet, das Julia so reagieren würde. Ach, schauen Sie sich nur diese Aussicht an. Können Sie sich etwas Schöneres vorstellen? Hier, ich habe etwas für Sie und Lucille mitgebracht. Auch für Julia, wenn sie daran interessiert sein sollte. Ah, die Sonne kommt heraus. Warum setzen wir uns nicht da drüben auf die Bank? Ich kann die Landschaft genießen und Sie können sich die hier ansehen.«
    Merle zog ein Bündel Briefe aus ihrer Handtasche und reichte sie Suzy.
    »Keine rote Schleife, also keine Liebesbriefe«, scherzte Suzy und zupfte an dem unromantischen Gummiband, das die Briefe zusammenhielt.
    »Sie werden überrascht sein«, meinte Merle und machte es sich auf der eisigen Holzbank bequem. Sie zog ihren Mantel enger um ihre Schultern. »Für mich sind das durchaus Liebesbriefe.«
    Nach den ersten Minuten vergaß Suzy, dass Merle anwesend war. Erst als sie zum ungezählten Male laut schniefte und ihr ein Päckchen Papiertaschentücher in die Hand gedrückt wurde, fiel ihr wieder ein, dass sie nicht allein auf der Bank saß.
    Die vertraute, krakelige Handschrift von Blanche in schwarzer Tinte füllte Seite um Seite des kobaltblauen Briefpapiers. Der Brief, den Suzy in diesem Moment las, war vor 15  Jahren geschrieben worden. Satzfetzen sprangen sie an, zerrissen ihr in ihrer Intensität das Herz.
    O Merle, ich weiß nicht, wie ich das schaffen soll – ich liebe alle meine Kinder so sehr. Wenn ich mir die süße, kleine Suzy anschaue und dann Lucille, wie könnte ich zwischen ihnen wählen? Sollte ich jemals versuchen, Ralph zu verlassen, würde er ganz sicher um das Sorgerecht streiten

Weitere Kostenlose Bücher