Sternschnupperkurs
hasste es, wenn das passierte. Er bog nach rechts, dann blieb er abrupt stehen. »Wir sind da.«
Suzy kam stolpernd hinter ihm zum Stehen. Jetzt war es definitiv zu spät, sich zurechtzumachen. Sie biss sich auf die Lippen, zwickte sich in die Wangen –
aua –
und zog den Bauch ein.
»Ich brauche jetzt meine Schuhe.« Sie streckte die Hand aus.
Leo hob die Augenbrauen. »Warum schaust du mich dabei an?«
»Weil du sie hast«, erwiderte Suzy. Sie zeigte auf die Taschen seiner Lederjacke. »Ich habe sie dir gegeben und du hast sie in den Kofferraum gelegt. Und ich sagte ›Schuhe‹ und du sagtest ›Ja‹. Woraus ich schloss, dass du die Situation unter Kontrolle hast, dass du meine Schuhe einsteckst, weil du bemerkt hast, dass meine Füße zu viele Blasen haben, als dass ich sie hätte anziehen können.«
Leo hörte mit vermeintlicher Höflichkeit zu, dann schüttelte er den Kopf. »Tut mir leid. Da haben wir uns missverstanden. Ich dachte, du wolltest nur sichergehen, dass beide Schuhe im Kofferraum liegen.«
Was für eine offensichtliche Lüge. Er hatte es absichtlich getan, erkannte Suzy, um ihr eine Lektion zu erteilen. Sie beschloss an Ort und Stelle, dass Leo Fitzallan auch nicht annähernd so nett war, wie sie gedacht hatte. Suzy nahm die Schultern zurück und streckte die Hand aus. »Dann gib mir die Autoschlüssel. Ich hole meine Schuhe.«
Das war natürlich ein Bluff. Schieres Maulheldentum. Dankenswerterweise eilte ihr Lucille zur Rettung. »Hört auf, ihr beide!« Sie schüttelte ungläubig den Kopf. »Dies Herumgiften wegen einem Paar Schuhe – das ist doch lächerlich!«
»Sag das dieser Zsa Zsa Gabor hier«, murmelte Leo.
Ich kann nicht glauben, dass mir das passiert, staunte Suzy. Der Mann ist ein Rottweiler. Wie konnte ich ihn jemals mögen?
»Also gut«, sagte Lucille. »Ihr zwei bleibt hier und streitet, wenn ihr das wollte. Ich gehe jetzt zu Harry.«
Während sie noch vor der Tür standen, die zur Station führte, auf der Harry lag, glitt eine Nachtschwester an ihnen vorbei und schob sich durch die Gummitüren.
»Und?« Lucille sah Suzy an. »Kommst du nun oder nicht?«
Für Lucille mochte das ja gut und schön sein, sie trug Schuhe, und ihre geflochtenen Haare sahen einfach immer ordentlich aus.
Heldenhaft behielt Suzy diesen Gedanken für sich. Stattdessen sagte sie: »Natürlich.«
Die Gummitüren schlossen sich hinter ihnen, und die Fotografen – die Leo wiedererkannten – wurden aktiv. Die Nachtschwester, die an ihren freien Abenden offenbar als Rausschmeißer arbeitete, marschierte in das Getümmel der Leiber und zog Suzy und Lucille heraus.
»Aua!«, schrie Suzy, als ein Sportschuh Größe 48 auf ihren nackten Zehen landete.
»Dafür ist später noch genug Zeit, meine Herren«, verkündete die Nachtschwester herrisch. »Diese Leute wollen Mr. Fitzallan besuchen, und ich bin sicher, sie wissen es zu schätzen, wenn man ihnen etwas Raum zum Atmen lässt.«
Das führte Suzy einige Jahre in die Vergangenheit, in die Zeit, als sich Jaz auf dem Höhepunkt seiner Popularität befunden hatte. Als seine Frau war sie an die Paparazzi gewöhnt. Manchmal war es lustig gewesen und manchmal total lästig. Doch nie hatte sie das Haus unvorbereitet verlassen.
Es war allerdings eine Sache, die Frau eines Rockstars zu sein. Die Freundin eines Polizisten zu sein, war etwas völlig anderes.
Doch das war weder die Zeit noch der Ort für Reminiszenzen. Jeder, der eine schlecht beleuchtete Krankenhausstation mitten in der Nacht mit Sonnenbrille aufsuchte, würde beknackt aussehen.
Suzy lächelte, ignorierte die Fotoapparate und blieb stumm, während sie die Nachtschwester durch den Flur in einen Seitenflügel geleitete.
»Er ist sehr erschöpft«, warnte die Schwester. »Zehn Minuten, mehr nicht.«
19. Kapitel
Harry lag im Bett und war an Maschinen angeschlossen, die eine Kakophonie an Piepsgeräuschen von sich gaben. Er schlug die Augen auf.
»Suzy. Du bist hier. Und Lucille.«
Die Nachtschwester zog sich diskret zurück. Leo ging zur anderen Wandseite und lehnte sich dagegen, die Hände in die Taschen seiner Lederjacke gesteckt. Sein Gesichtsausdruck war nicht zu deuten.
»Oh, Harry.« Suzy trat auf ihn zu und streckte die Hände nach ihm aus. »Was haben sie dir nur angetan?«
Er sah aus wie die Karikatur eines Unfallopfers. Sein linkes Bein war eingegipst. Ebenso sein rechter Arm. Um seinen Kopf zog sich ein dicker Verband, und die Wange zierte eine frisch genähte Wundnaht.
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