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Sternstunde der Liebe (German Edition)

Sternstunde der Liebe (German Edition)

Titel: Sternstunde der Liebe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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anrührendsten, beugte sich das Strichmännchen-Mädchen vor und küsste die Stirn des Strichmännchen-Jungen.
    »Das sind wir«, flüsterte Michael und nahm ihre Hand.
    »Da ist ja noch was«, sagte Elizabeth, die über seine Schulter spähte und las. »Worte … des großen Dichters … oh mein Gott!«
    »Was ist?«, fragte Michael.
    »Das ist Julia! Dritter Aufzug, zweite Szene – meine Lieblingsstelle im gesamten Shakespeare! ›Hinab, du flammenhufiges Gespann‹«, deklamierte sie.
    »Blue«, flüsterte Zeb Rumer ins Ohr.
    »Das steht da aber nicht, Mom«, sagte Michael. »Hier steht –«
    »Ich weiß, was dort steht, mein Schatz. Ganz genau – ich habe nur die Zeilen vorher zitiert. Kenne ich diese Szene, oder nicht, Zeb?«
    »Du kennst sie«, erwiderte Zeb ruhig.
    »Romeo und Julia«, sagte Elizabeth mit funkelnden Augen. »Unsere schönste Stunde …« Sie berührte die Brosche an ihrem Kragen. »Erinnerst du dich, als du sie gefunden hast? Im Rinnstein! Ausgerechnet in einer der unzähligen Straßen in New York; wenn ich daran denke, wie sie dort stundenlang lag … und dann hast du dich einfach gebückt und sie aufgehoben, im Vorübergehen.«
    »Ich erinnere mich«, sagte Zeb. »Ein erstaunlicher Zufall …«
    »Das war Schicksal«, lachte Elizabeth. »Als ich sie an jenem Abend verlor, rechnete ich nicht damit, sie jemals wieder zu sehen.«
    »Aber Dad hat sie gefunden«, sagte Michael, als sei die Geschichte eine alte, kostbare Familienlegende.
    »Ich trage sie noch heute.« Elizabeth blickte an sich hinab. »Was ist mit dir, Rumer? Hast du deine noch?«
    »Natürlich.«
    »Unsere Broschen, sie sind etwas ganz Besonderes. Sie unterscheiden sich voneinander; eine von ihnen enthält ein Geheimnis …«
    »Was für ein Geheimnis?«, fragte Quinn.
    »Keine Ahnung. Unsere Mutter sagte immer, sie würde es uns eines Tages erzählen«, sagte Rumer. »Aber sie starb vorher, nahm das Geheimnis mit ins Grab.«
    »Zeig Quinn die Brosche«, schlug Michael vor. »Ich wette, sie kann das Geheimnis lüften.«
    Während Rumer nach oben ging, um ihre Brosche zu holen, hörte sie, wie Elizabeth das Tagebuch nahm, Quinns selbst gemachtes Geschenk, und laut zu lesen begann. Die Szene – Julia, die im Garten auf Romeo wartet – war gefühlvoll, leidenschaftlich, angefüllt mit Vorfreude und Aufregung. Die Worte rührten Rumer an, erinnerten sie lebhaft daran, was sie selbst empfunden hatte, während sie auf Zeb wartete – in der Kinderzeit, als Heranwachsende, ihr ganzes Leben lang.
    Die Sache war, sie konnte nicht mit ansehen, wie ihre Schwester unten den Text vortrug, als spräche sie von Zeb – der direkt daneben stand. Es fühlte sich an wie ein Pfeil in der Brust – den sie nicht entfernen konnte. Zeb und Elizabeth waren körperlich eins gewesen und hatten Michael gezeugt – heute vor achtzehn Jahren und annähernd neun Monaten.
    Elizabeth beherrschte den Monolog meisterhaft, ihre Stimme hallte in dem alten Haus wider, als stünde sie auf der Bühne des Lark Theater. Rumer bekam eine Gänsehaut, als sie sich an den Abend erinnerte, an dem Zeb und sie in die Vorstellung gefahren waren, um sie in der Rolle der Julia zu sehen.
    Sie ging die Treppe hinunter, die goldene Leuchtturm-Brosche in der Hand, gerade rechtzeitig, um den donnernden Applaus zu hören, den ihre Schwester bekam. Quinn klatschte am lautesten, ihr Gesicht strahlte vor Begeisterung, weil sie so wunderschöne Worte aus dem Mund von Michaels Mutter hörte.
    Rumers Magen verkrampfte sich, als sie daran zurückdachte, wie Elizabeth die Zeilen im Lark Theater vorgetragen hatte; im Zuschauerraum andächtig lauschend, war Rumer gefesselt gewesen, hatte das Gefühl gehabt, dass die Worte auf Zeb und sie gemünzt waren. Doch am Ende des Abends, während sie im Zug saß und nach Hause fuhr, hatte Zeb Elizabeths Brosche im Rinnstein gefunden, und aus den beiden war ein Paar geworden.
    »Bravissimo!«, rief Quinn, immer noch klatschend.
    Rumer gesellte sich zu ihr, drückte ihr die Brosche in die Hand. Quinn sah ihr lächelnd in die Augen, ihre Hand war rissig und rau vom Hummerfang.
    »Schau dir Moms auch an«, sagte Michael.
    Quinn blickte von einer Brosche zur anderen. Rumer fragte sich schon lange nicht mehr, was sie kennzeichnete, voneinander unterschied. Vielleicht hatte ihre Mutter an dem Tag, als sie entstanden, die Schmuckstücke mit unterschiedlichen Segenswünschen versehen – abgestimmt auf die Persönlichkeit der jeweiligen

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