Sternstunde der Liebe (German Edition)
Tochter.
Beide Broschen waren ungefähr zweieinhalb Zentimeter lang. Der Leuchtturm war ein genaues Abbild des Leuchtturms von Wickland Rock – ein kerzengerades, schlankes Bauwerk aus Ziegelsteinen, mit vier übereinander liegenden winzigen Fenstern, die bis zu den Sammellinsen an der Spitze reichten. Die Felseninsel, aus einzelnen winzigen Goldklümpchen gemacht, breitete sich unter dem Fuß des Turmes aus.
»Die Insel sieht aus wie echt«, sagte Quinn und zeichnete die Oberfläche beider Broschen mit ihrem Zeigefinger nach.
»Wie kommt ihr darauf, Quinn könnte den Unterschied zwischen den beiden Broschen erkennen?«
»Weil Quinn sich darauf versteht, die Wahrheit zu erspüren«, sagte Rumer, die Hand auf der Schulter des Mädchens. »Diese Gabe besaß sie schon immer. Soweit ich weiß, ist sie die Einzige, die jemals Moms und Mrs. Mayhews Einhorn begegnet ist.«
»Im Nebel und am späten Abend«, sagte Quinn leise.
»Du hast gesagt, ich hätte eines gesehen, am Hochzeitstag deiner Tante«, warf Michael ein.
»Sag mir ja nicht, dass du angefangen hast, Pot zu rauchen, oder wie ihr dieses Marihuana-Zeug nennt«, sagte Elizabeth zu ihrem Sohn, doch niemand reagierte. Alle sahen Quinn gespannt an, aber keiner – außer Rumer – bekam mit, in welchem Moment sie das Geheimnis entdeckte. Nicht einmal Michael.
Doch Rumer kannte Quinn seit ihrer Geburt. Die jahrelange wissenschaftliche Forschungsarbeit hatte ihr Auge für den Augenblick der Entdeckung – gleich ob groß oder klein – geschult. Für den einmaligen Moment, wenn es Klick macht und sich alle Fakten wie die Bausteine eines Puzzles zusammenfügen, wenn das Ganze plötzlich Sinn macht. Im Biologielabor, in der Feldforschung, in ihrer Tierarztpraxis.
Röte breitete sich über Quinns Hals und Wangen aus. Sie kniff die Augen zusammen, schüttelte den Kopf, gab die beiden Broschen ihren rechtmäßigen Besitzerinnen zurück. »Tut mir Leid«, sagte sie leise. Doch dabei begegnete sie Rumers Blick, und ihre Augen blitzten vor Aufregung. Sie blickte kurz zu Zeb hinüber, und die Röte vertiefte sich.
»Macht nichts. Du hast dein Bestes getan«, sagte Elizabeth. »Also? Was ist mit dem Kuchen?«
»Noch nicht«, sagte Michael. »Ich würde gerne …«
»Alles, was du willst, Darling. Du bist das Geburtstagskind.«
»Ich möchte, dass Quinn mir aus ihrem Geschenk vorliest.«
»Vorlesen?« Quinn lächelte.
»Ja. Die Zeilen … Dritter Aufzug, zweite Szene«, sagte Michael, das Lächeln erwidernd.
Elizabeth lachte. »Kindermund«, sagte sie. »Ich weiß, dass Eigenlob stinkt, aber ihr habt gerade die ultimative Julia gehört, mit der sich keine andere messen kann … sag es ihnen, Zeb.«
Zeb schenkte ihr keine Beachtung, sondern sah Quinn an und nickte ihr ermutigend zu. »Nur zu, Quinn.«
»Die Vorstellung war wunderbar, da kann ich nicht mithalten.«
»Und ob du kannst«, spornte Rumer sie an. »Lass die Worte aus deinem Herzen fließen, genau wie aus deiner Feder, als du die Zeilen in das Tagebuch übertragen hast.«
»Du schaffst das, Quinn.« Zeb reichte dem Mädchen Rumers Leuchtturm-Brosche. »Trag das, als Talisman.«
Quinn steckte die Brosche nicht an, aber behielt sie in der Hand. Sie schloss die Augen, und Rumer sah, dass sie Kraft aus dem Gold, der Liebe und Michaels Nähe schöpfte. Rumer spürte die knisternde Spannung, wie sie oft einer atemberaubenden Darbietung vorausgeht, und wusste, noch bevor Quinn den Mund aufmachte, dass sie unvergesslich bleiben würde, weil die Gefühle wahrhaftig waren.
Komm, Nacht! – Komm, Romeo!
Die Leidenschaft in ihrer Stimme ging Rumer durch Mark und Bein. Quinn fuhr fort, ihre Worte waren ausschließlich an Michael gerichtet:
Komm, Nacht! – Komm, Romeo, du Tag in Nacht!
Denn du wirst ruhn auf Fittichen der Nacht.
Wie frischer Schnee auf eines Raben Rücken.
Komm, milde liebevolle Nacht! Komm, gib
Mir meinen Romeo! Und stirbt er einst,
Nimm ihn, zerteil in kleine Sterne ihn:
Er wird des Himmels Antlitz so verschönern,
Dass alle Welt sich in die Nacht verliebt.
Während sich Rumer die Tränen aus den Augen wischte, erwartete sie, dass es Quinn ähnlich ergehen würde. Aber ihre Aufmerksamkeit war von Michael gefesselt. Er sah Quinn mit leuchtenden Augen und der uneingeschränkten Liebe an, die ein junger Mann mit achtzehn nur in seinem tiefsten Herzen verspüren konnte.
»Du bist wunderbar«, sagte er.
»Das war für dich«, erwiderte sie lächelnd.
»Kleine Sterne. Die
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