Sternstunde der Liebe (German Edition)
hatte, aber wenn er schon so großen Wert auf eine Aussprache legte, würde er es sich auch anhören müssen. Als Rumer das Wartezimmer betrat, sah sie sich jedoch ihrem Vater gegenüber, der in dem Lehnsessel aus Ahorn saß und den National Geographic las.
Jetzt, da sie entschlossen war, Zeb mit der schonungslosen Wahrheit zu konfrontieren, fühlte sie sich merkwürdigerweise enttäuscht, als hätte ihr jemand den Wind aus den Segeln genommen. »Hi, Dad.« Sie ging zu ihm und küsste ihn. »Was verschafft mir die Ehre?«
»Ich wollte die Frau Doktor zum Essen einladen.«
»Glückspilz!«, sagte Mathilda. »Ich wünschte, mein Vater würde in der Nähe wohnen und mich zum Essen einladen.«
»Warum kommst du nicht mit, Mattie?«, schlug Sixtus vor. »Ich habe alles für ein Picknick dabei und belegte Brote im Überfluss; du darfst dich gerne anschließen.«
»Sixtus, ich weiß deine Einladung zu schätzen, wirklich – und mein Vater wäre dir sehr dankbar. Aber ich bleibe besser hier, damit die Praxis besetzt ist.«
»Nun, dann beim nächsten Mal«, versprach Sixtus.
»Danke, Mat.« Rumer nahm ihre Handtasche und folgte ihrem Vater zur Tür hinaus.
Sixtus fuhr ein paar Meilen die Shore Road entlang, dann bog er nach links ab. Der schmale Feldweg führte an Wiesen voller Wildblumen, Salzmarschen und einem Anwesen vorbei, das von imposanten Mauern aus dem hiesigen grauen Sandstein umgeben war, zu einem unbefestigten Parkplatz mit Blick auf die Flussmündung. Fischadler kreisten über ihren Köpfen. Einige Leute ließen ihre Boote über eine Rampe an einer seichten Stelle zu Wasser, und Rumer und ihr Vater aßen Sandwiches mit Goldmakrelensalat und beobachteten das Treiben.
»Hab auf dem Weg zu deiner Praxis kurz in der Schule vorbeigeschaut«, sagte Sixtus. »Wie ich hörte, hat Edward seinen Vortrag vor der Abschlussklasse gehalten, über seine Mutter, die ebenfalls auf der Black Hall High war, und wie stolz sie wäre, Dorothy Jackson zu kennen.«
»Er engagiert sich sehr für dieses Stipendium, das die Stiftung seiner Mutter vergibt.«
»Seine Rede war ungemein bewegend; nur zwanzig Schüler sind eingeschlafen.«
Rumer warf ihm einen ›Hüte-dich-Blick‹ zu, aß ihr Sandwich und sah zu, wie der Fischadler ins Wasser eintauchte und mit einem zappelnden Fisch in den Fängen wieder an die Oberfläche kam.
»Mal überlegen, was war noch? Ach ja. Es hat eine Lehrerkonferenz wegen Quinn stattgefunden; das Ergebnis wird sie nicht gerade freuen.«
»Ferienkurse plus Nachprüfung?«
»Richtig.«
»Da macht sie nie im Leben mit.«
»Sie hat gar keine andere Wahl, wenn sie nächstes Jahr ihren Abschluss machen will. Dana und Sam werden ihr schon ins Gewissen reden – sie kommen in ein paar Tagen von ihrer Hochzeitsreise nach Newport und Martha’s Vineyard zurück. Es bleibt noch genug Zeit – die Ferienkurse fangen erst in zwei Wochen an.«
Rumer schmunzelte, als sie sich die Aufgabe vorstellte, die vor Dana und Sam lag. Sie genoss die behagliche, zwanglose Atmosphäre, und sie aßen eine Weile schweigend. Aber ihr Vater sah immer wieder verstohlen zu ihr herüber, auf eine Weise, die den Gedanken in ihr weckte, dass sich mehr hinter diesem Vater-Tochter-Picknick verbarg. Seine Hände waren zu lockeren Fäusten geballt. Sie wusste, dass die Arthritis ihm in letzter Zeit zu schaffen machte, und sie fragte sich, ob er Schmerzen hatte.
»Was ist los, Dad?«
»Wieso? Wie kommst du auf die Idee, dass irgendetwas los ist?«
»Du siehst besorgt aus – bereitet dir irgendetwas Kopfzerbrechen? Plagt dich die Arthritis?«
»Nein«, erwiderte er stirnrunzelnd. »Nicht mehr als sonst. Alles bestens … ich wollte dir nur den Tag mit meiner Gegenwart und einem Goldmakrelen-Sandwich verschönern; wieso unterstellst du mir verdeckte Motive? Meine Güte!« Er schüttelte den Kopf.
Rumer lächelte, trank einen Schluck Eistee. Einige Minuten vergingen, in denen sie schweigend zwei Männern zusahen, die mit ihrem Bootsanhänger rückwärts die Rampe hinunterfuhren, die alte Starcraft beladen mit Angelruten, einer Kiste für das Angelzubehör und einem Eimer. Einer der Männer zerstieß Eis in einem Plastikbeutel, dann klemmte er seinen Sechserpack Bier in die improvisierte Kühltasche.
»Hab heute Morgen mit Zeb geredet«, sagte ihr Vater.
»Zeb?«
»Ja.«
»Was gibt es denn …« Sie hätte um ein Haar gefragt: »Was gibt es denn da noch zu reden?« Aber sie verstummte; natürlich gab es ein Thema –
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