Sterntagebücher
dereinst nicht mehr geben, unangenehm sei, nicht dagegen die Vorstellung, daß es sie vorher auch nicht gegeben habe.
Der Duismus änderte im Laufe der Jahrhunderte seinen dogmatischen Kern, aber immer zeigte er großes Interesse für die eschatologische Problematik, was nach Professor Grags eben zu den frühen Versuchen führte, eine Unsterblichkeitstechnologie in Gang zu bringen. Bekanntlich sterben wir durch das Altern; wir werden alt und unterliegen einem körperlichen Verfall, weil wir eine unerläßliche Information verlieren: Die Zellen vergessen mit der Zeit, was sie tun müssen, um nicht zu zerfallen. Die Natur liefert auf die Dauer ein solches Wissen nur den Geschlechtszellen, denn die anderen gehen sie nichts an. So gesehen ist das Altern also das Vergeuden einer lebenswichtigen Information.
Bragger Fizz, der Erfinder des ersten Immortalisators, baute ein Aggregat, das sich um den Mechanismus des Menschen sorgte (ich werde diesen Ausdruck benutzen, wenn ich die Dychthonier meine, weil das praktischer ist) und jede Prise Information sammelte, die die körperlichen Zellen verloren. Er sammelte sie und führte sie ihnen erneut zu. Der erste Dychthonier, Dgunder Brabs, an dem man das verewigende Experiment durchführte, wurde nur für ein Jahr unsterblich. Länger konnte er nicht durchhalten, denn er wurde von sechzig Maschinen überwacht, die mit Myriaden unsichtbarer goldener Drähtchen in alle Winkel seines Organismus eindrangen. Er konnte sich nicht von der Stelle rühren und führte ein trauriges Leben inmitten einer wahren Fabrik (der sogenannten Perpetuale). Dobder Gwarg, der nächste Kandidat auf die Unsterblichkeit, konnte sich zwar schon bewegen und hin und her gehen, aber ihn begleitete auf seinen Spaziergängen eine Kolonne schwerer Traktoren, die mit der unsterblich machenden Apparatur beladen waren. Auch er beging Selbstmord infolge Frustration.
Es gab die Meinung, daß im Zuge weiterer Fortschritte in dieser Technik Mikroperpetuatoren entstehen würden, aber Has Berdergar wies mathematisch nach, daß solch ein PUAP (Persönlicher Unsterblichmacher, der automatisch perpetuiert) mindestens einhundertneunundsechzigmal soviel wiegen müsse wie der Unsterblichkeitskandidat, sofern er entsprechend dem typischen Evolutionsplan angefertigt worden sei. Denn die Natur – das sagte ich schon, und das wissen auch unsere Gelehrten – sorgt sich bei jedem nur um die Handvoll Geschlechtszellen, um den Rest kümmert sie sich überhaupt nicht.
Der Beweis, den Has erbrachte, machte einen gewaltigen Eindruck und stürzte die Gesellschaft in tiefe Depression; man begriff nämlich, daß man die Schranke der Sterblichkeit nicht ohne gleichzeitiges Verwerfen des Körpers überschreiten konnte, den die Natur schuf. In der Philosophie bildete die berühmte Doktrin des großen dychthonischen Denkers Donderwars die Reaktion auf Berdergars Schlußfolgerung. Donderwars schrieb, daß man den spontanen Tod nicht als natürlich bezeichnen dürfe. Natürlich sei das, was schicklich sei, die Sterblichkeit dagegen sei ein Skandal und eine Schande im kosmischen Maßstab. Die Allgemeingültigkeit dieses Vergehens mindere um keinen Deut seine Scheußlichkeit. Für die Beurteilung des Vergehens sei es auch von keinerlei Bedeutung, ob man seinen Urheber fassen könne. Die Natur verfahre mit uns wie ein Schurke, der Unschuldige auf eine angenehme, im Grunde jedoch verlorene Mission schicke. Je klüger jemand im Leben werde, desto mehr nähere er sich dem Grabe.
Da kein moralisches Individuum das Recht habe, sich Mördern anzuschließen, sei eine Kollaboration mit der liederlichen Natur unzulässig. Indessen sei die Beerdigung eine Kollaboration durch Versteckspiel. Es handele sich darum, das Opfer irgendwo zu verbergen, wie das gewöhnlich bei einem Verbrechen geschieht; auf die Grabsteine würden verschiedene belanglose Dinge eingraviert, nicht aber das einzig Wesentliche: Wenn die Menschen nämlich den Mut hätten, der Wahrheit ins Auge zu schauen, würden sie dort ein paar kräftige Flüche an die Adresse der Natur einritzen, die uns das beschert habe. Statt dessen sagt niemand auch nur ein Wort, als kämen einem Mörder, der so geschickt ist, daß er sich stets verflüchtigt, dafür noch besondere Rücksichten zu. Statt »memento mori« sollte man immer wieder sagen »estote ultores« strebt die Unsterblichkeit an, selbst um den Preis des Verlustes eures traditionellen Äußeren – so lautete das
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