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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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auf den Kopf, die aussah wie eine aufgeblähte und ge platzte Küchenschabe; die einen leimten noch, während die anderen mich schon mit Gürteln oder Streifen bemalten. Da es ringsum keine Spiegel und keine glänzende Oberfläche gab, weiß ich nicht, wie ich aussah, aber die Mönche schienen mit ihrem Werk zufrieden zu sein.
      Ich wurde hin und her geschoben und fand mich schließlich in einer Ecke wieder. Erst da bemerkte ich, daß ich eher an einen Vierbeiner oder gar an einen Sechsbeiner erinnerte als an ein Wesen mit aufrechter Haltung. Sie hießen mich hinkauern und sagten mir, ich solle auf alle Fragen, ganz gleich, wer sie an mich richte, nur durch Blöken antworten. Gleich darauf wurde entsetzlich laut an die Tür getrommelt; die Mönchsroboter stürzten an irgendwelche in der Mitte des Refektoriums aufgestellten Geräte, die an Nähmaschinen (aber nur auf den ersten Blick) erinnerten, und im Nu hallte der ganze Raum vom Rattern ihrer vorgetäuschten Arbeit wider. Über die steinernen Stufen stieg eine Kontrollstreife zu uns herab. Fast hätten meine vier Beine unter mir nachgegeben, als ich die Wesen aus der Nähe betrachtete. Ich wußte nicht, ob sie angezogen oder nackt waren; jeder einzelne sah anders aus.
      Schwänze hatten wohl alle, sie mündeten in eine haarige Quaste, die eine solide Faust verbarg; sie trugen sie im allgemeinen lässig über der Schulter, sofern man die kugelige Wölbung, die von großen Warzen umgeben war, als Schulter bezeichnen konnte; inmitten dieser Kugel war die Haut weiß wie Milch; bunte Stigmata erschienen darauf – ich begriff nicht gleich, daß sie sich sowohl mit der Stimme als auch mit Hilfe jenes körperlichen Bildschirms verständigten, auf den sie verschiedene Aufschriften und Abkürzungen ausstrahlten. Ich versuchte wenigstens ihre Beine zu zählen, sie hatten mindestens zwei, aber es gab auch ein paar Dreibeinige und einen Fünfbeinigen; ich gewann jedoch den Eindruck: Je mehr Beine, desto schwerer fiel dem Betreffenden das Gehen. Sie machten einen Rundgang um den ganzen Saal, sahen im Vorbeigehen den Mönchen zu, die sich über die Maschinen beugten und mit größter Verbissenheit arbeiteten, bis ein Kontrolleur, der größer war als die anderen – er hatte eine gewaltige orangefarbene Krause rings um die Wämpe, die sich aufblähte und schwach leuchtete, wenn er sprach –, bis dieser Kontrolleur einem kleinen Individuum, das nur zwei Beine und ein kurzes Schwänzchen hatte, sicherlich einem Kanzlisten, den Befehl gab, die Triefeln zu untersuchen. Sie schrieben sich etwas auf, vermaßen etwas, ohne ein Wort an die Mönchsroboter zu richten, und waren bereits im Aufbruch, als ein grünlicher Dreibeiner meine Anwesenheit bemerkte; er zupfte an einem der befransten Schößlinge, und ich gab für alle Fälle ein leises Blöken von mir.
      »Ach, das ist der alte Gwarndlist, er hat die achtzehn – in Ruhe lassen!« sagte der Größere und wurde hell. Der Kleine erwiderte rasch: »Jawohl, Euer Körperlichkeit!«
      Mit einem Apparat, der einer Taschenlampe ähnelte, leuchteten sie noch in alle Ecken des Refektoriums, aber dem Brunnen näherte sich keiner. Das Ganze sah mir immer deutlicher wie eine nachlässig durchgeführte Formalität aus. Binnen zehn Minuten waren sie verschwunden, die Maschinen wurden in eine dunkle Ecke geschoben, die Mönche begannen die Behälter hochzuhieven, sie wrangen ihre durchnäßten Kutten aus und hängten sie zum Trocknen auf eine Schnur. Die Bibliothekare waren besorgt, denn in einen undichten Behälter war Wasser geraten, also mußte man sogleich die durchnäßten Seiten der Altdrucke mit Seidenpapier belegen, und der Prior, das heißt der Pater Roboter, ich wußte selbst nicht mehr, was ich von ihm halten sollte, wandte sich mit großer Freundlichkeit an mich: Gott sei Dank habe alles ein gutes Ende genommen, aber in Zukunft solle ich mehr auf der Hut sein. Bei diesen Worten zeigte er mir das Geschichtswerk, das ich in dem allgemeinen Durcheinander fallen gelassen hatte. Er selbst hatte während der Revision darauf gesessen.
      »Der Besitz von Büchern ist also verboten?« fragte ich.
      »Kommt drauf an«, erwiderte der Prior. »Uns ja! Und ganz besonders der Besitz solcher Bücher wie dieses hier! Wir gelten als veraltete Maschinen, die seit der ersten biotischen Revolution überflüssig sind; man toleriert uns, genauso wie alles, was in die Katakomben geht, weil dies eine – übrigens inoffizielle – Sitte

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