Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
Vom Netzwerk:
würden das Unternehmen finanzieren und dafür außer dem majorisierten Aktienpaket 45 Prozent der Reineinnahmen erhalten. Die Aktien hätten Nominalwert, aber im Aufsichtsrat würde ich mir vorbehalten…«
      »Verzeihung«, unterbrach ich ihn, »ich sehe, daß Sie mit einem detaillierten Plan des Unternehmens zu mir gekommen sind. Würden Sie mir nicht doch besser zuerst ein paar Einzelheiten Ihrer Erfindung nennen?«
      »Natürlich«, erwiderte er. »Aber solange wir keinen notariell beglaubigten Vertrag unterschrieben haben, Herr, Tichy, kann ich nur Informationen allgemeinen Charakters erteilen. Die Versuche haben mein ganzes Geld geschluckt, es reichte noch nicht einmal zur Deckung der Patentkosten…«
      »Gut. Ich begreife Ihre Vorsicht«, sagte ich, »trotzdem werden Sie verstehen, daß weder ich noch irgendein Finanzmann, der ich übrigens nicht bin – kurz gesagt, daß niemand Ihnen aufs Wort glauben wird.«
      »Natürlich nicht.« Er entnahm seiner Tasche ein in weißes Papier gewickeltes Päckchen, flach wie eine Zigarrenschachtel, so eine, die nur sechs Stück enthält.
      »Hier drinnen ist die Seele… einer bestimmten Person«, sagte er.
      »Darf man erfahren, wessen?«
      »Ja«, erwiderte er nach kurzem Zögern. »Die meiner Frau.«
      Ich betrachtete die verschnürte und versiegelte Schachtel ziemlich ungläubig, und dennoch, sein energisches, kategorisches Auftreten rief bei mir so etwas wie einen Schauer hervor.
      »Öffnen Sie das Päckchen nicht?« fragte ich, als ich sah, daß er keine Anstalten machte, das Siegel zu brechen.
      »Nein«, antwortete er. »Vorläufig nicht. Meine Idee, Herr Tichy, natürlich in größter Vereinfachung dargestellt, so daß die Wahrheit fast schon wieder entstellt wird, war folgende: Ich fragte mich, was unser Bewußtsein sei. Wenn Sie mich anschauen, in diesem Augenblick, von Ihrem bequemen Sessel aus, und den Geruch einer guten Zigarre spüren, die Sie mir anzubieten nicht für angezeigt hielten, wenn Sie meine Gestalt im Licht dieser exotischen Lampe sehen, wenn Sie schwanken, ob Sie mich für einen Betrüger, einen Verrückten oder einen ungewöhnlichen Menschen halten sollen, wenn schließlich Ihre Augen allen Glanz und allen Schatten der Umgebung einfangen und die Nerven und Muskeln ununterbrochen eilige Depeschen über ihren Zustand zum Gehirn senden – so bildet das alles eben Ihre Seele, um in der Sprache der Theologen zu sprechen. Sie und ich, wir würden eher sagen, daß das der aktive Zustand Ihres Geistes ist. Jawohl, ich gebe zu, daß ich den Ausdruck ›Seele‹ aus einem gewissen Trotz heraus gebrauche. Wichtiger ist, daß diese so schlichte Bezeichnung sich des allgemeinen Verständnisses erfreut oder, genauer gesagt, jeder Mensch zu wissen meint, worum es sich handelt, wenn er das Wort hört.
      Unser materialistischer Gesichtspunkt macht selbstverständlich nicht nur die Existenz einer unsterblichen, körperlosen Seele zur Fiktion, sondern zugleich auch einer solchen, die über den augenblicklichen Zustand Ihrer Person hinaus einen gewissen unveränderlichen, überzeitlichen und ewigen Inhalt darstellte. Eine solche Seele, da werden Sie mir zustimmen, hat es nie gegeben, und keiner von uns besitzt sie. Die Seele eines Jünglings und die Seele eines greisen Mannes, obwohl sie Züge der Identität aufweist, wenn von demselben Menschen die Rede ist, und weiter: die Seele aus der Zeit, als dieser Mann ein Kind war, und im Augenblick, da er, todkrank, vor der Agonie steht – das sind grundverschiedene Bewußtseinszustände. Sooft man jedoch von jemandes Seele spricht, meint man instinktiv den psychischen Zustand eines ausgereiften Menschen, der sich der besten Gesundheit erfreut – es ist also verständlich, daß ich diesen Zustand für mein Ziel gewählt habe. Meine synthetische Seele ist der ein für allemal fixierte Querschnitt der aktuellen Jetztzeit einer normalen Person, die sich im Vollbesitz ihrer Kraft befindet. Wie ich das mache? Ich gestalte einer ausgezeichnet hierfür geeigneten Substanz mit höchster, absoluter Genauigkeit, Atom für Atom, Regung für Regung, die Konfiguration des lebenden Hirns nach. Die Kopie ist verkleinert, im Maßstab eins zu fünfzehn. Deshalb ist die Schachtel, die Sie sehen, so klein. Mit einiger Mühe könnten die Ausmaße der Seele noch weiter reduziert werden, aber ich sehe dafür keinen vernünftigen Grund, hingegen würden sich die Produktionskosten maßlos erhöhen. So

Weitere Kostenlose Bücher