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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Menschheit…«
      »Ich verstehe«, unterbrach ich ihn. »Decantor, Sie haben in gewissem Sinne recht. Aber nur insofern, als Sie mit Ihrer Erfindung – heute mir, morgen vielleicht der ganzen Welt – vor Augen geführt haben, wie überflüssig die Seele ist. Sie haben sichtbar gemacht, daß diese Unsterblichkeit, von der die von Ihnen zitierten heiligen Bücher, Evangelien, Korane, babylonischen Epen, die Wedas und alten Überlieferungen reden – daß diese Unsterblichkeit dem Menschen nichts nützt. Mehr noch: Jeder Mensch wird im Angesicht der Ewigkeit, mit der Sie ihn beschenken wollen, das versichere ich Ihnen, dasselbe empfinden wie ich: höchste Abscheu und Angst. Der Gedanke, daß Ihr Versprechen mir zuteil werden könnte, ist für mich grauenvoll. Somit, Decantor, haben Sie nachgewiesen, daß die Menschheit sich seit Tausenden von Jahren belogen hat. Sie haben diese Lüge zerschlagen…«
      »Sie meinen also, daß niemand meine Seele haben will?« fragte dieser Mensch mit ruhiger, aber plötzlich lebloser Stimme.
      »Ich bin mir dessen sicher. Ich verbürge mich dafür… Wie können Sie daran zweifeln? Decantor! Würden Sie denn wollen? Sie sind doch auch ein Mensch!«
      »Ich habe es Ihnen bereits gesagt. Ich habe nie das Bedürfnis nach Unsterblichkeit gehabt. Ich war jedoch der Meinung, daß das ein Ausnahmefall, daß es meine Verirrung sei, wenn die Menschheit einer anderen Meinung ist. Sie, die Menschheit, wollte ich beruhigen, nicht mich. Ich habe nach einem Problem gesucht, das meinen Kräften angemessen gewesen wäre, nach dem schwierigsten Problem überhaupt. Ich habe es gefunden und gelöst. In diesem Sinne war es meine persönliche Angelegenheit, aber nur in diesem Sinne; von der Sache her hat es mich ausschließlich als eine bestimmte Aufgabe interessiert, die es bei Anwendung der richtigen Technologie und der richtigen Mittel zu lösen galt. Ich habe das wörtlich genommen, was die größten Denker aller Zeiten geschrieben haben. Tichy – Sie müssen das doch gelesen haben… Diese Angst vor dem Aufhören, vor dem Ende, vor der Vernichtung des Bewußtseins – dann, wenn es am reichsten ist, wenn es die besten Früchte trägt – am Ende eines langen Lebens… Alle haben das gepredigt. Ihr Traum war es, Umgang mit der Ewigkeit zu pflegen. Ich habe diesen Umgang ermöglicht. Tichy, vielleicht würden Sie…? Vielleicht die hervorragendsten Individuen? Die genialsten?«
      Ich schüttelte den Kopf. »Sie können es versuchen. Aber ich glaube nicht, daß auch nur einer… Nein. Das ist unmöglich.«
      »Was denn«, sagte er, und zum erstenmal schwang in seiner Stimme ein lebendiges Gefühl mit, »Sie meinen, daß das… für niemand einen Wert besitzt…? Daß niemand diese Seele haben will? Wie ist das möglich!«
      »Es ist so…«, entgegnete ich.
      »Sagen Sie das nicht so vorschnell«, flehte er. »Tichy, noch ist alles in meiner Hand. Ich könnte sie anpassen, ändern… sie mit synthetischen Sinnen ausstatten… Dann würde Ihnen zwar nicht die Ewigkeit beschieden sein, aber wenn Ihnen die Sinne wichtiger sein sollten… die Ohren… die Augen…«
      »Und was würden diese Augen sehen?« fragte ich.
      Er schwieg.
      »Die Vereisung der Erde… den Zerfall der Milchstraße… das Verlöschen von Sternen in der schwarzen Unendlichkeit, ja?« zählte ich auf.
      Er schwieg.
      »Die Menschen verlangen nicht nach Unsterblichkeit«, fuhr ich nach einer Weile fort. »Sie wollen nur einfach nicht sterben. Sie wollen leben, Professor Decantor. Sie wollen die Erde unter den Füßen fühlen, sie wollen die Wolken über sich sehen, wollen andere Menschen lieben, mit ihnen sein und daran denken. Nichts weiter. Alles, was darüber hinaus gesagt worden ist, ist Lüge. Unbewußte Lüge. Ich zweifle, ob es viele gibt, die Sie auch nur so geduldig anhören wie ich. Ganz zu schweigen von Versuchswilligen…«
      Decantor stand ein paar Minuten reglos da und starrte auf das weiße Päckchen, das vor ihm auf dem Schreibtisch lag. Plötzlich nahm er es an sich, nickte mir flüchtig zu und wandte sich zur Tür.
      »Decantor!« schrie ich. Er blieb an der Schwelle stehen. »Was wollen Sie damit machen?«
      »Nichts«, erwiderte er kalt.
      »Bitte… kehren Sie um. Einen Augenblick noch… So kann man das nicht lassen…«
      Meine Herren, ich weiß nicht, ob Decantor ein großer Gelehrter war, ein großer Schurke war er auf jeden Fall. Das Feilschen, das nun

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