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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Aber, meine Herren, habe ich ihnen gesagt, wenn ich Ihnen eine Maschine vorstelle, die die Wurzeln aus paarigen Zahlen zieht und aus unpaarigen nicht ziehen will, so ist das kein Defekt, zum Teufel, sondern im Gegenteil eine hervorragende Errungenschaft! Diese Maschine besitzt Idiosynkrasien, Geschmack, sie weist bereits so etwas wie den Beginn eines Selbstwillens auf, sie hat ihre eigene Meinung, den Keim einer spontanen Verhaltensweise, und Sie sagen, daß man sie umbauen müsse! Gewiß muß man das, aber so, daß ihre Widerspenstigkeit noch vergrößert wird… Was verlangen Sie statt dessen? Man kann nicht mit Menschen sprechen, die dem Augenscheinlichen den Zutritt verwehren… Die Amerikaner bauen ein Perzeptron, Tichy, sie glauben, daß dies der Weg zur Konstruktion einer intelligenten Maschine ist. Das ist der Weg zur Konstruktion eines elektrischen Sklaven, mein Herr. Ich habe auf die Souveränität, auf die Selbständigkeit meiner Konstruktionen gesetzt. Natürlich habe ich es nicht leicht – ich räume ein, ich war zunächst überrascht, eine Zeitlang zweifelte ich sogar, ob ich recht habe. Das war damals…«
      Er krempelte den einen Hemdsärmel höher: Oberhalb des Bizeps hatte er, umgeben von einer rosafarbenen Verdickung, eine Narbe, groß wie eine Hand.
      »Die ersten Symptome von Spontaneität waren nicht besonders sympathisch. Sie gingen nicht aus vernünftiger Tätigkeit hervor. Man kann nicht auf Anhieb eine vernünftige Maschine bauen. Das ist so, als hätte man im antiken Griechenland vom Bau der Quadrigen sogleich zu Düsenmaschinen übergehen wollen. Man kann keine Evolutionsetappe überspringen – selbst wenn das die von uns eingeleitete kybernetische Evolution ist. Dieser erste Eleve hier«, er legte die Hand auf den verletzten Arm, »hatte weniger ›Verstand‹ als ein x-beliebiger Käfer. Aber er zeigte bereits Spontaneität – und was für welche!«
      »Moment«, sagte ich. »Sie erzählen seltsame Dinge. Sie haben doch schon eine vernünftige Maschine gebaut, nicht wahr? Sie steckt in der Uhr.«
      »Das eben nenne ich Plagieren«, erwiderte er heftig. »Ein neuer Mythos ist entstanden, Tichy, der Mythos, einen ›Homunkulus‹ zu bauen. Warum sollten wir eigentlich Menschen aus Transistoren und Glas bauen? Können Sie mir das erklären? Ist die Atomsäule ein synthetischer Stern? Die Dynamomaschine – ein künstliches Gewitter? Warum soll eine vernünftige Maschine ein ›synthetisches Hirn‹ sein, geschaffen nach dem Vorbild des Menschen? Wozu? Um zu den drei Milliarden Eiweißwesen noch eines hinzuzufügen, das aus Plasten und Kupfer gebaut ist? Das mag gut sein als Zirkuskunststück, aber nicht als ein Werk der Kybernetik…«
      »Was wollen Sie dann eigentlich bauen?«
      Er lächelte unverhofft – sein Gesicht ähnelte auf erstaunliche Weise dem Gesicht eines trotzigen Kindes.
      »Tichy… jetzt werden Sie mich sicher für verrückt halten: Ich weiß nicht, was ich will!«
      »Ich begreife nicht…«
      »Auf jeden Fall weiß ich, was ich nicht will. Ich will nicht das menschliche Hirn wiederholen. Die Natur hatte ihre Gründe, weshalb sie es so konstruierte. Biologische Gründe, Gründe der Anpassung und so weiter. Sie konstruierte im Ozean und in den Ästen, auf denen die Affenmenschen herumkrochen, zwischen den Hauern, den Krallen und dem Blut, zwischen dem Magen und der Vermehrung. Aber was geht mich das alles an, mich als Konstrukteur? Nun ja, jetzt wissen Sie schon, mit wem Sie es zu tun haben. Aber ich verachte ja gar nicht das menschliche Hirn, was mir jener alte Esel, dieser Barness, unterstellt hat. Es zu untersuchen ist äußerst wichtig, hat unermeßliche Bedeutung, und wenn es jemand verlangt, kann ich sofort meine tiefste Hochachtung vor diesem großartigen Gebilde der Natur beteuern!«
      Der Professor verbeugte sich wirklich.
      »Geht daraus aber hervor, daß ich es nachmachen muß? Sie alle, die Ärmsten, sind sicher, daß es so sein muß! Stellen Sie sich bitte eine solche Gesellschaft von Neandertalern vor: Sie haben ihre Höhle, sie brauchen nichts anderes! Sie wollen nicht einmal versuchen, Häuser oder Kirchen kennenzulernen, weder Amphitheater noch andere Gebäude, denn sie haben eine Höhle und werden in alle Ewigkeiten die gleichen Höhlen graben!«
      »Nun gut… aber etwas müssen Sie doch anstreben. In einer konkreten Richtung. Somit erwarten Sie doch etwas. Was? Ein geniales Wesen zu

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