Sterntagebücher
sympathisch durchscheinenden verschiedenfarbigen Mitreisenden. Ich langte in die Tasche nach dem Baedeker, es war höchste Zeit, mich zu informieren. Doch welche Enttäuschung harrte meiner! Hatte ich doch aus Versehen den Band über den Planeten Enteuropien mitgenommen, der drei Millionen Lichtjahre von meinem jetzigen Standort entfernt lag. Vermaledeite Zerstreutheit.
Mir blieb nichts übrig, als die Tentotamer Filiale des bekannten astronautischen Büros Galax aufzusuchen. Der Schaffner ließ auf meine Frage den Glambus unverzüglich halten, wies mit seinem Tastorgan auf ein riesiges Gebäude und verfärbte sich herzlich zum Abschied.
Eine Weile stand ich still und berauschte mich an dem ungewohnten Bild, das die im Dämmer versinkende Innenstadt bot. Die rote Sonne war eben untergegangen. Die Ardriten brauchen keine künstliche Beleuchtung, weil sie selbst leuchten. Die Mrudrallee, auf der ich stand, funkelte nur so von Passanten. Eine junge Ardritin kam vorbei; sie strahlte unter ihrem Leuchtschirmchen kokett in goldenen Streifen, doch sogleich verlosch sie züchtig – offenbar hatte sie in mir den Ausländer erkannt.
Die Häuser nah und fern sprühten und flammten von den heimkehrenden Bewohnern; in den Tempeln glühten inbrünstig ins Gebet versunkene Massen; die Kinder irisierten mit rasender Geschwindigkeit über die Treppenflure – das alles war so bezaubernd, so bunt, daß ich recht unlustig meinen Weg fortsetzte; doch ich fürchtete, die Galax würde schließen, wenn ich länger verweilte.
Vom Vestibül des Reisebüros schickte man mich in die Provinzabteilung im dreiundzwanzigsten Stockwerk. Es ist nun einmal eine traurige, aber unumstößliche Tatsache: Die Erde liegt in einer wenig bekannten Gegend, sie liegt in der tiefsten Provinz des Kosmos.
Die Angestellte, die mich in der Abteilung Touristenfürsorge empfing, sagte mir, ganz trüb vor Verlegenheit, die Galax habe leider keine Reiseführer oder Besichtigungspläne für Erdbewohner, da von diesen nur selten einer, vielleicht einmal in hundert Jahren, nach Enteropien komme. Sie bot mir daher einen Ratgeber für Jupiteraner an, im Hinblick auf die gemeinsame Sonnenabstammung von Jupiter und Erde. Mangels eines geeigneteren nahm ich ihn an und bat sie noch, im Hotel Kosmonia ein Zimmer für mich zu bestellen. Schließlich ließ ich mich für die Jagd vormerken, die von der Galax organisiert wird, und trat dann wieder auf die Straße hinaus. Meine Lage war insofern mißlich, als ich selber nicht leuchtete; als ich daher an der nächsten Kreuzung einen Ardriten den Verkehr regeln sah, stellte ich mich in seinen Lichtschein und blätterte den Reiseführer durch. Wie zu erwarten, brachte er lediglich Informationen, wo man sich mit Methanprodukten eindecken könne, wie bei offiziellen Empfängen die Fühler zu stellen seien und so weiter. Ich warf das Heft also in einen Papierkorb, hielt ein vorbeifahrendes Eborett an und ließ mich in den Bezirk der Trichterblöcke fahren. Diese prächtigen kelchähnlichen Bauten funkelten in der Ferne von den bunten Lichtern der Ardriten, die sich ihrem Familienleben widmeten; in den Verwaltungsgebäuden wogten wunderbar die Leuchthalsbänder der Beamten.
Ich stieg ab und schlenderte weiter; als ich staunend den hochgetürmten Bau der Suppenverwaltung betrachtete, verließen ihn zwei höhere Beamte, die am intensiveren Leuchten und an den roten Kämmen um ihren Schirm zu erkennen sind. Sie blieben in meiner Nähe stehen, so daß ich folgendes Gespräch auffangen konnte:
»Breitwischen der Ränder nicht mehr verbindlich?« fragte der eine, der von hoher Gestalt und über und über mit Orden behängt war.
Der andere hellte sich auf und entgegnete: »Nein. Der Direktor meint, wir werden das Programm nicht schaffen, und das alles wegen Grudrufs. Es bleibt nichts übrig, sagt der Direktor, als ihn zu verwandeln.«
»Wen, Grudrufs?«
»Ja.«
Der erste verlosch, nur die Orden leuchteten weiter in verschiedenfarbigen Kränzen; dann sagte er, die Stimme dämpfend: »Schrumpfen wird er, der Arme.«
»Mag er schrumpfen, das hilft ihm auch nicht. Sonst wird niemals Ordnung herrschen. Man transmutiert doch Leute nicht jahrelang, damit es hinterher mehr Sepulken gibt!«
Neugierig rückte ich an die beiden Ardriten heran, doch sie entfernten sich schweigend. Merkwürdig, daß mir erst nach diesem Erlebnis das Wort »Sepulken« häufiger begegnete. Bestrebt, das
Weitere Kostenlose Bücher