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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Sache war möglich. Das Elektron, das sich gegen den Strom der Zeit bewegte, würde, wie die Kalkulation bewies, immer größere Energien annehmen, und wenn es über den Anfang des Weltalls hinausflöge, würde die in ihm angesammelte Macht es sprengen, und bei dieser Explosion würde dieses Teilchen genau über den Vorrat verfügen, der die Schuld begleichen würde . Das Weltall wäre dann vor dem Bankrott gerettet, denn es würde nicht länger auf Kredit existieren.
      Jetzt brauchte man nur noch an die praktische Seite der Unternehmung zu denken, die unsere Welt legalisieren, also einfach erschaffen sollte! Als Mensch von lauterem Charakter unterstrich S. Rasglas mehrfach in Gesprächen mit Prof. Tarantoga und auch seinen Assistenten und Mitarbeitern gegenüber, daß die Konzeption der Schaffung des Universums mein Verdienst sei und daß eigentlich mir – nicht ihm – die Bezeichnung Schöpfer beziehungsweise Erlöser zukomme. Ich erwähne das nicht, um mich zu brüsten, sondern um die Prahlsucht zu dämpfen – denn alles Lob, alle Äußerungen der Anerkennung, der Begeisterung, die ich damals in Bombay bis zum Überdruß zu hören bekam, waren mir, so befürchte ich, ein wenig zu Kopf gestiegen, so daß ich die Arbeiten nicht so überwachte, wie es sich gehörte. Ich ruhte mich leider auf meinen Lorbeeren aus und dachte in meiner Naivität, mit dem Denken sei die Hauptsache schon getan und nun folge nur noch der rein ausführende Teil, mit dem sich die anderen befassen könnten.
      Ein fataler Irrtum! Gemeinsam mit Prof. Rasglas legte ich den ganzen Sommer über und einen erheblichen Teil des Herbstes hindurch die Parameter fest, das heißt die Merkmale und die Eigenschaften, die aus dem Elektron – dem kosmischen Kern – schlüpfen sollten. Vielleicht wäre es richtiger, ihn, diesen Kern, Schöpfungsladung zu nennen, denn die technische Seite der Erschaffung der Welt sah so aus, daß wir als Kanone, die den Anfang der Zeit aufs Korn nahm, das entsprechend umgearbeitete riesige Synchrophasotron der Universität wählten. Seine ganze Energie, in richtiger Weise konzentriert, die auf das eine, einzige Teilchen – eben auf jenes Schöpfungselektron – zielte, sollte am 20. Oktober freigesetzt werden; Professor Rasglas versteifte sich darauf, daß ich als der Urheber der Idee den einzigen welterzeugenden Schuß aus der Chronokanone abfeuern müßte. Da sich nun eine so unerhörte und in der Geschichte einzigartige Gelegenheit bot, sollte unsere Maschine, unseren Werfer nicht etwa das erste beste Elektron verlassen, sondern ein entsprechend umgestaltetes, beschnittenes und dermaßen umgearbeitetes Teilchen, daß daraus ein bedeutend or dentlicherer, erheblich soliderer Kosmos entstünde als der gegenwärtig existierende – und ganz besondere Aufmerksamkeit widmeten wir der mittelbaren und späten Folge der Kosmokreation, die ja die Menschheit sein sollte!
      Gewiß: In einem Elektron irgend etwas zu programmieren, eine so unbeschreibliche Menge von Steuer- und Aufsichtsinformationen in ein Elektron hineinzugeben – das ist nicht leicht. Ich gestehe auch, was der Wahrheit entspricht, daß ich keineswegs alles allein getan habe. Die Arbeitsteilung zwischen mir und Professor Rasglas sah so aus, daß ich die Vervollkommnungen und Verbesserungen formulierte, während er sie in die exakte Sprache der Parameter der Physik, der Raumtheorie, der Theorie der Elektronen, Positronen und der zahlreichen anderen Tronen übertrug; wir legten auch eine Art Brutstätte oder Zucht an, in der die Versuchsteilchen in gehöriger Isolierung ruhten, aus denen wir das gelungenste, eben jenes, aus dem, wie ich schon sagte, am 20. Oktober das Weltall geboren werden sollte, auszuwählen hatten!
      Was habe ich in jenen heißen Tagen nicht alles an Vollkommenheiten entworfen! Viele Nächte brütete ich über physikalischen, ethischen und zoologischen Wälzern, um die wertvollsten Informationen zu sammeln, sie in eins zu pressen, zu konzentrieren, mit denen dann der Professor vom Morgengrauen an das kosmische Brutelektron modellierte. Es ging unter anderem darum, daß sich der Kosmos harmonisch entwickeln sollte, daß ihn die Explosionen der Supernovae nicht so sehr erschütterten, daß die Energie der Quasare und der Pulsare nicht so sinnlos vergeudet wurde, daß die Sterne nicht so sprühten und blakten wie Lichtstümpfe, die feuchte Dochte haben, daß geringere interplanetare Entfernungen das Reisen von Ort zu Ort

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