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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Zentralheizung, damit sie abtrockneten, denn sie waren vom Tee aus der Thermosflasche völlig durchnäßt, und beim An blick der Stoßer zuckte ich gar zusammen. Sie, die Stoßer, sollten die Zierde meiner Kollektion werden, unterwegs hatte ich mir schon einen Ehrenplatz für sie ausgesucht, denn diese Produkte der Militarisierung vom Regulus sind die größte Rarität, die es gibt (es ist eine Zivilisation, die ganz unter Waffen steht, man trifft dort keinen einzigen Zivilisten an). Das »Wegstoßen« ist kein Hobby der Regulaner, wie Tottenham schreibt, sondern ein Mittelding zwischen religiöser Praxis und Sport. Tottenham hatte einfach nicht begriffen, aus welchen Positionen man dort gestoßen wird. Das »Wegstoßen« ist auf dem Regulus eine symbolische Tätigkeit; daher sind auch die verblüffenden Bemerkungen samt den rhetorischen Fragen bei Tottenham nur ein Ausdruck völliger Ignoranz. Eine Sache ist das eheliche Wegstoßen, eine andere das in der Schule, auf Ausflügen, in der Liebe und so weiter. Aber ich kann jetzt nicht näher darauf eingehen. Es mag genügen, daß ich mir beim Tragen der regulanischen Trophäen vom Erdgeschoß ins erste Stockwerk den Handteller verstauchte, also sagte ich mir, obwohl noch ein Haufen Arbeit übrigblieb, daß ich mit solcher Feuerwehraktion nicht viel schaffen würde. Ich hängte im Keller nur noch die Matulken auf die Wäscheleine und ging dann in die Küche, um mir das Abendbrot zu bereiten. Jetzt nur noch Siesta, Idylle, dolce far niente – sagte ich mir mit Entschiedenheit. Zwar füllte mich der Ozean der Erinnerungen weiterhin aus, hartnäckig wie die tote Welle, wenn der Sturm nachgelassen hat. Während ich die Eier aufschlug, blickte ich auf die blaue Flamme des Gasherdes – scheinbar nichts Besonderes, und doch hatte die Nova des Perseus ganz ähnlich ausgesehen. Ich warf einen Blick auf die Gardine – sie war weiß wie die Asbestplatte, mit der ich die Atomsäule zuzudecken pflegte, wenn… Doch genug davon, sagte ich mir. Besser, ich überlege, was ich lieber esse, Rührei oder Spiegelei? Ich hatte mich gerade für das letztere entschieden, als das Haus erbebte. Die Eier, die noch nicht geronnen waren, klatschten auf den Fußboden, und gleichzeitig hörte ich, halb zur Treppe gewandt, einen durchdringenden Lärm, wie von einer Lawine. Ich warf die Pfanne hin und hastete nach oben. War das Dach eingestürzt? Ein Meteor? Unmöglich! Das gibt’s doch gar nicht!
      Der einzige Raum, den ich nicht mit Gepäckstücken vollgestellt hatte, war mein Arbeitszimmer, und eben von da kam das Gepolter. Das erste, was ich sah, war ein Bücherhaufen zu Füßen des schief stehenden Regals. Unter den dicken Bänden der kosmischen Enzyklopädie hervor kroch rückwärts ein Mann auf den Knien, wobei er die heruntergefallenen Bücher zertrampelte, als genügte ihm das bisherige Drunter und Drüber noch nicht. Bevor ich etwas sagen konnte, riß er eine lange Metallstange unter sich hervor, die er an einem Griff festhielt, der wie der Lenker eines Fahrrades aussah, das keine Räder hatte. Ich hüstelte, doch der Eindringling, immer noch auf allen vieren, beachtete das nicht im geringsten. Ich räusperte mich lauter, aber schon in diesem Augenblick kam mir seine Gestalt merkwürdig bekannt vor, und als er aufstand, erkannte ich ihn. Das war ich. Ganz als schaute ich in den Spiegel. Übrigens hatte ich schon eine ganze Serie solcher Begegnungen erlebt, aber im Dickicht von Gravitationsstrudeln und nicht in einer richtigen Wohnung!
      Er warf mir einen zerstreuten Blick zu und beugte sich über sein Gerät – sowohl der Umstand, daß er sich unbekümmert, zu schaffen machte, als auch die Tatsache, daß er nicht zu antworten geruhte, brachte mich aus dem Gleichgewicht.
      »Was soll das heißen?« fragte ich, ohne die Stimme zu heben.
      »Ich werd’s dir gleich erklären… warte…«, murmelte er. Er erhob sich, zog das Rohr zur Lampe, verschob den Schirm, damit er besseres Licht hatte, rückte das Papier zurecht, das den Haltearm stützte – er wußte, der Kerl, daß der Schirm dauernd abzurutschen pflegte, also war ich das wirklich! –, und befühlte, offensichtlich besorgt, mit dem Finger irgendwelche Kurbeln.
      »Es schickte sich wenigstens, mir eine Erklärung zu geben!« Ich verbarg meinen Ärger nicht mehr. Er lächelte, stellte seinen Apparat weg, das heißt, er lehnte ihn an die Wand. Dann setzte er sich in meinen Sessel, zog die zweite Schublade heraus,

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