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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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entnahm ihr meine geliebte Tabakspfeife und griff untrüglich nach dem Tabaksbeutel.
      Das war mir nun doch zuviel.
      »Unverschämtheit!« sagte ich.
      Er bat mich mit einer ausladenden Geste, mich zu setzen. Während ich unwillkürlich den angerichteten Schaden überschlug – die Einbände zweier schwerer Himmelsatlanten waren zerknickt –, rückte ich einen Stuhl heran und begann mit den Fingern eine Mühle zu drehen. Ich wollte ihm fünf Minuten zur Rechtfertigung und zur Entschuldigung zubilligen – sollte er mir dann keine Genugtuung geben, würde ich andere Seiten aufziehen.
      »Unsinn!« versetzte mein ungebetener Gast. »Verhalte dich wie ein intelligenter Mensch! Was für ›andere Seiten‹ willst du mit mir aufziehen? Jeder blaue Fleck, den ich habe, würde dann auch der deine sein!«
      Ich schwieg, und mir schwante etwas. In der Tat, wenn er ich war und mir eine solche (aber wie, zum Kuckuck?) Zeitschleife widerfuhr (warum muß gerade ich immer solche Abenteuer erleben?), dann konnte er gewisse Ansprüche auf meine Pfeife und sogar auf die Wohnung erheben. Aber warum mußte er die Bücher herunterwerfen?
      »Das war unabsichtlich«, sagte er durch die Wolken des aromatischen Rauches, während er die Spitze seines durchaus eleganten Schuhs anstarrte. Er schaukelte mit dem Bein, das er über das andere geschlagen hatte. »Das Chronozykel hat beim Bremsen geschleudert. Statt um acht Uhr dreißig bin ich um acht Uhr dreißig und eine hundertstel Sekunde ins Haus geflogen. Wenn sie die Zielvorrichtung besser eingestellt hätten, wäre ich mitten im Zimmer gelandet.«
      »Wieso denn?« (Ich begriff nichts.) »Erstens: Bist du ein Telepath? Wie kannst du auf Fragen antworten, die ich mir nur denke} Und zweitens: Wenn du wirklich ich bist und in der Zeit angekommen bist, was hat sie dann mit dem Ort zu tun? Warum hast du die Bücher beschädigt?«
      »Wenn du ein bißchen nachdächtest, würdest du alles verstehen. Ich bin später als du, also muß ich mich an alles erinnern, was du gedacht hast, das heißt was ich gedacht habe, denn ich bin du, nur eben in der Zukunft. Und was Zeit und Ort betrifft, so dreht sich doch die Erde! Ich bin um eine hundertstel Sekunde abgerutscht, vielleicht sogar um weniger, und in diesem Augenblick war sie mit dem Haus um diese vier Meter weitergerückt. Ich hatte dem Rosenbeißer ja klargemacht, daß es besser wäre, im Garten zu landen, aber er hat mir diese Zielvariante aufgeschwatzt.«
      »Nun gut. Nehmen wir an, daß es so ist, wie du sagst. Aber was soll das alles bedeuten?«
      »Das werde ich dir natürlich erklären. Aber es wäre besser, erst das Abendbrot anzurichten, denn das ist eine längere Geschichte von außerordentlicher Wichtigkeit. Ich bin zu dir als Gesandter in einer historischen Mission gekommen.«
      Ein Wort gab das andere, er überzeugte mich. Wir stiegen hinunter, das Abendbrot wurde zubereitet, das heißt, ich öffnete eine Sardinenbüchse (im Kühlschrank waren mir kaum ein paar Eier geblieben). Wir verweilten in der Küche, denn ich wollte mir nicht die Laune durch den Anblick der Bibliothek verderben. Er hatte wenig Lust, das Geschirr abzuwaschen, aber ich redete ihm ins Gewissen, also trocknete er wenigstens ab. Dann setzten wir uns an den Tisch, er sah mir ernst in die Augen und sagte:
      »Ich komme aus dem Jahr 2661, um dir einen Vorschlag zu unterbreiten, den noch nie ein Mensch gehört hat und den auch keiner hören wird. Der Wissenschaftliche Rat des Instituts für Temporistik verlangt, mich, das heißt dich zum Leitenden Direktor des Programms TEOPAGHIP zu machen. Diese Abkürzung bedeutet: ›Telechronische Optimalisierung der Allgemeinen Geschichte durch einen Hyperputer‹. Ich bin fest davon überzeugt, daß du diesen ehrenvollen Posten annehmen wirst, denn er bedeutet eine außerordentliche Verantwortung vor den Menschen und vor der Geschichte, und ich bin, das heißt, du bist ein tüchtiger Mensch voller Rechtschaffenheit.«
      »Zuerst hätte ich lieber etwas Konkreteres gehört. Vor allem begreife ich nicht, weshalb zu mir nicht einfach ein Abgesandter dieses Instituts gekommen ist, sondern du, also ich. Wie bist du, das heißt, wie bin ich dorthin gekommen?«
      »Das werde ich dir zum Schluß noch im einzelnen erklären. Was die Hauptsache betrifft, so erinnerst du dich sicherlich an jenen bedauernswerten Molteris, der die Maschine zum Reisen in der Zeit erfunden hatte und bei dem Versuch, sie

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