Sterntaler: Thriller (German Edition)
wurde bei der Polizei nicht gern gesehen. Er würde große Probleme kriegen, wenn das herauskäme.
Aber es war nicht aufzuhalten gewesen.
Dieser Gedanke kam immer wieder, und er war befreiend.
Es war auch befreiend und beruhigend, neben einem Menschen aufzuwachen, von dem er wusste, dass er ihn wiedersehen wollte. Es gab jede Menge Kollegen und Freunde, die durch eine Scheidung oder einen Todesfall plötzlich allein waren und die dann eine ewige Jagd nach einer Frau begannen, die es nicht gab und die es gar nicht geben konnte, was dazu führte, dass sie sich auf überhaupt keine neue Beziehung mehr einlassen konnten.
So wollte er nicht werden, das hatte Alex sich geschworen.
Gleichzeitig war seine Trauer überwältigend. Was er mit Lena gehabt hatte, würde er niemals mit einer anderen Frau haben. Es würde keine weiteren Kinder geben, keine neue Familie. Was vor ihm lag, würde auf ewig halb sein, unvollkommen.
Sein Handy klingelte. Diana bewegte sich im Schlaf, als er ranging.
»Jimmy ist verschwunden«, sagte Peder.
»Verschwunden?«
»Das Heim hat gestern Abend angerufen. Ylva und ich waren die ganze Nacht unterwegs und haben nach ihm gesucht. Er ist wie vom Erdboden verschluckt.«
Peders Stimme war dünn und gellend, von einer Sorge getragen, die Alex alles andere vergessen ließ. »Hast du die Kollegen benachrichtigt?«
»Natürlich. Aber auch sie können ihn nicht finden.«
»Peder, hör mir gut zu. Wenn du die ganze Nacht draußen warst, dann musst du jetzt nach Hause gehen und schlafen. Es kann nicht sein, dass du…«
»Ich gehe nirgends hin, bevor wir ihn gefunden haben.«
Alex wusste nur zu gut, dass Menschen sich zunehmend irrational verhielten, wenn ihnen der Schlaf fehlte.
»Du gefährdest die Suche«, sagte er. Es kam schroffer an als notwendig, aber er hoffte, Peder damit zur Vernunft zu bringen.
Gleichzeitig sah er seine eigene Arbeitsgruppe in Stücke zerbrechen. Fredrikas Lebensgefährte in U-Haft, Peders Bruder verschwunden.
Er musste mehr Leute anfordern, anders ging es nicht.
Peder sagte etwas mit gedämpfter Stimme.
»Wie bitte?«
»Ich kann für nichts garantieren, wenn wir ihn nicht finden. Ich glaube, ich könnte den Menschen umbringen, der mir Jimmy nimmt.«
»Es spricht nichts dafür, dass er tot ist«, sagte Alex beschwichtigend. »Gar nichts.« Er wollte Peder trösten, doch er merkte, dass der nicht zuhörte.
»Er hatte mich angerufen.«
»Jimmy?«
»Er hatte angerufen und gesagt, dass er jemanden dabei beobachtet hat, der in ein Fenster spähte. Jemanden, der ihm Angst gemacht hat.«
Alex kam nicht mit. »Jemand hat in Jimmys Fenster gespäht?«
»Nein, in das Fenster von jemand anderem. Aber Jimmy hat ihn gesehen und Angst bekommen. Das hat er zumindest gesagt, als er mich anrief. ›Es ist ein Mann. Er guckt durch das Fenster. Er dreht mir den Rücken zu.‹«
50
DER BODEN FEDERTE UNTER MALENAS Füßen, als sie lief. Sie konnte ihren eigenen Blutdruck im Körper pulsieren spüren, als sie ihn Kilometer um Kilometer weitertrieb. Noch vor zwei Jahren war sie eine ganz normale Studentin gewesen. Sie hatte sich endlich für ein Studienfach entschieden und es geschafft, sich sowohl eine Studentenwohnung als auch den Nebenjob im Altersheim zu besorgen.
Malena hatte einige Zeit gebraucht, um aufs richtige Gleis zu kommen. Sie hatte zahlreiche Umwege gemacht. Die Jahre auf dem Gymnasium waren in einem Nebel von unendlichen Besäufnissen, zahllosen Verliebtheiten und schlechten Noten versunken. Sie verabscheute die Erinnerung daran, wollte das Leben, das sie damals gelebt hatte, nicht mehr spüren.
Auf das Abitur waren mehrere Jahre im Ausland gefolgt. Als Au-pair. Als unterernährtes Model. Als Reiseleiterin.
Als sie wieder nach Hause gekommen war, war die Leere größer denn je gewesen.
»Dein Leben gehört niemand anderem als nur dir allein«, hatte ihr Vater gesagt. »Du entscheidest selbst, wie du leben willst. Aber wenn du dich dafür entscheiden solltest, es gar nicht zu leben, dann würde mich das sehr traurig machen.«
Im selben Herbst schrieb sie sich bei einem Erwachsenenbildungsinstitut ein und fing gleichzeitig an, in einer Boutique zu arbeiten. Sie fand neue Freunde. Freunde, die anders waren als diejenigen, mit denen sie sich zuvor umgeben hatte. Einen Freund hatte sie nicht– und sie brauchte zum ersten Mal auch keinen.
Der wichtigste Tag ihres Lebens war, als sie endlich an der Stockholmer Universität einen Studienplatz für Jura bekam.
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