Sterntaler: Thriller (German Edition)
Grab, zu dem ich gehen kann.
Ylva bewegte sich an seiner Seite. »Ich muss nach Hause. Muss ein paar Stunden schlafen. Ich rufe bei der Arbeit an und sage, dass ich heute nicht komme.«
»Ich glaube, es ist am besten, wenn du danach zu Hause bleibst«, murmelte Peder schließlich. »Wenn Jimmy auf die Idee kommt, zu uns zu gehen, dann muss da jemand sein, den er kennt.«
Sie wussten beide, dass Jimmy auf sich allein gestellt unmöglich zu Peder und Ylva kommen konnte. Doch die Hoffnung starb zuletzt, und deshalb widersprach Ylva Peders Vorschlag nicht.
»Kommst du dann später?«
»Ich melde mich.«
Sein Blick ging immer noch in die Ferne.
Sie strich ihm leicht über die Wange. Peder merkte es kaum. Für ihn gab es nichts anderes mehr als die Suche nach seinem Bruder.
Noch nie war ihr das Bett so groß vorgekommen wie jetzt. Fredrika erwachte mit dem Gefühl, nicht eine Minute geschlafen zu haben. Ihr Körper fühlte sich schwer und erschöpft an. Sie rollte von der einen Seite auf die andere und strich über Spencers Bettdecke. Das Weinen kam warm und instinktiv.
Dann erinnerte sie sich wieder an das Zusammentreffen mit Tova Eriksson und zog sich die Decke über den Kopf. Ob sie etwas unrettbar zerstört hatte, indem sie dieses Mädchen aufgesucht hatte? Sie dachte an Alex’ warnende Worte, und sie wusste, dass es falsch gewesen war, sie zu ignorieren.
Sie hob den Kopf vom Kissen und wischte sich die Tränen ab. Sie hatte keine Zeit für Endzeitstimmung. Sie musste weitermachen, und sei es für Saga und Spencer.
Es war sechs Uhr früh. Der Tag lag wie eine einsame Straße vor ihr. Sollte sie arbeiten gehen? Oder besser gesagt: Würde sie es aushalten, zu Hause zu bleiben?
Die Antwort auf diese Frage lautete: Nein. Das würde sie nicht aushalten. Sie musste wieder ins Büro und in Erfahrung bringen, was in der Ermittlung gegen Spencer unternommen wurde. Sie musste dafür sorgen, dass die Polizei ihn wieder gehen ließ.
Aber was zum Teufel hatte er nur mit dem Pass vorgehabt?
Als Spencer festgenommen worden war, hatte er noch nicht einmal wissen können, dass Tova ihn inzwischen der Vergewaltigung bezichtigte. Was in aller Welt sollte er also mit einem neuen Pass?
Er musste gewusst haben, dass er in der Mordermittlung aufgetaucht war, an der auch Fredrika arbeitete. Das war der einzig logische Schluss. Weniger einfach zu verstehen war jedoch, warum er sich ihr nicht einfach anvertraut hatte. Warum hatte er die Sache nicht mit ihr besprochen?
Und warum hatte sie nicht mit ihm geredet?
Hatte sie das wirklich nicht getan?
Fredrika erinnerte sich an die Gelegenheiten, bei denen sie ihn angesprochen hatte. Auf seine Probleme an der Uni. Ob er Rebecca Trolle kennen würde. Er hatte nicht ein einziges Wort gesagt.
Die Tränen brannten ihr wieder in den Augen. Hatten sie denn die wichtigste Zutat zu ihrer Beziehung verloren: die Fähigkeit, über alles reden zu können?
Dann ist alles vorbei.
Fredrika stieg aus dem Bett und suchte nach ihrer Tasche. Sie hatte sich ein paar Arbeitsunterlagen mit nach Hause genommen. Sie setzte sich im Schneidersitz aufs Bett und las noch einmal den kurzen Text durch, den Rebecca Trolle über den Filmclub Sterntaler zusammengestellt hatte. Diese Gruppe, die Spencer ein zweites Mal an die Ermittlungen band.
Alex hatte gesagt, eine Kommilitonin von Rebecca habe berichtet, dass Rebecca sich aus mehr als einem Grund an Spencer hatte wenden wollen. Sie hatte sich ihn als neuen Tutor gewünscht, aber er war natürlich auch in den Recherchen zu ihrer Arbeit vorgekommen.
Wegen des Filmclubs, dachte Fredrika.
Erneut las sie das letzte Wort auf der Seite.
Snuff.
An anderer Stelle kam das Wort nicht vor, und es wurde auch nicht erklärt.
Torbjörn Ross hatte, kurz bevor Spencer aus dem Gefängnis angerufen hatte, einen solchen Film erwähnt. Oder zumindest eine Verfilmung der Bücher, die angeblich Thea Aldrin geschrieben haben sollte.
Fredrika ging hinüber in ihre Bibliothek und zog Spencers Filmlexikon aus dem Bücherregal. Soweit Fredrika wusste, war es ein Mythos, dass es jemals echte Snuff-Filme gegeben hätte. Oder dass es eine Nachfrage nach ihnen gäbe.
Der Snuff-Film war erst in den Siebzigerjahren ein Begriff geworden– abgeleitet vom englischen Ausdruck to snuff someone out für jemanden umlegen. Die Legende besagte, dass es eine geheime Produktion von Gewaltfilmen gegeben hätte, in denen echte Morde und Vergewaltigungen eingespielt wurden, um dann für enorme
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