Sterntaler: Thriller (German Edition)
für Spencers Auffassung fast schon rotzigen Eindruck. Ihr Händedruck war eine Parodie auf jeden normalen Handschlag: viel zu lang, viel zu fest. Wenn sie Respekt heischen wollte, dann missriet ihr dies in großem Stil. Ihre Stimme war laut, und sie betonte jedes Wort, als ginge sie davon aus, dass er schwerhörig wäre. In jedem anderen Zusammenhang hätte Spencer darüber lachen müssen, doch jetzt machte es ihn nur umso missmutiger.
»Rebecca Trolle«, begann Cecilia Torsson. »Woher kannten Sie sie?«
»Ich kannte sie gar nicht.«
»Sind Sie sich da sicher?«
Spencer atmete ein und aus. War er das?
Seine Erinnerungen an das Frühjahr, in dem Rebecca Trolle verschwand, waren relativ deutlich. Er hatte sehr viel zu tun gehabt, während er und Fredrika sich gleichzeitig immer öfter sahen. Zu Hause hatte Schweigen geherrscht, er und Eva hatten sich zunehmend voneinander entfernt. Also hatte er sich in die Arbeit gestürzt, war mehr auf Reisen gewesen und hatte noch mehr Abende zusammen mit Fredrika in der Wohnung auf Östermalm verbracht.
Dieser Frühling war vielleicht der beste seines Erwachsenenlebens gewesen.
Aber wie passte Rebecca Trolle in alles das hinein? War sie in jenem Frühling durch sein Leben gehuscht, vielleicht so flüchtig, dass er sich im Nachhinein nicht mehr daran erinnerte? Er suchte in seinem Gedächtnis und hatte das Gefühl, als gäbe es da Dinge, die er hervorholen könnte.
»Sie hat einmal angerufen…«
Er war selbst erstaunt, als er sich das sagen hörte.
»Sie hat Sie angerufen?«
Cecilia Torsson beugte sich über den Tisch.
Spencer nickte. Jetzt wurde es leichter. »Ich hatte eine Nachricht aus der Zentrale bekommen, dass ein Mädchen dieses Namens versucht habe, mich zu erreichen, doch sie hat sich nie wieder gemeldet. Das muss so im März oder April gewesen sein.«
»Haben Sie dann nicht reagiert, als sie verschwand?«
»Wie sollte ich? Ich erinnere mich, dass die Zeitungen über ihr Verschwinden geschrieben haben, doch ehrlich gesagt war mir nicht klar, dass es dasselbe Mädchen war, das mich hatte erreichen wollen. Auch wenn der Name ungewöhnlich war.«
Cecilia Torsson sah aus, als würde sie seine Begründung akzeptieren.
»Sie hat also keine Nachricht hinterlassen? Hat nicht um einen Rückruf gebeten?«
»Nein, ich erfuhr nur, dass sie angerufen hatte. Und dass sie sich wieder melden wollte. Es ging um eine Seminararbeit, die sie schrieb.« Langsam erwachten noch mehr Erinnerungen zum Leben. »Ich weiß noch, dass ich von vornherein wusste, ich würde keine Zeit für sie haben. Es ist nichts Ungewöhnliches, dass Studenten sich melden und um Hilfe bitten.« Spencer zuckte mit den Schultern. »Aber man hat nur selten Zeit. Leider.«
»Ich verstehe«, sagte Cecilia. Sie blätterte in ihrem Notizblock. »Sterntaler…«
Das Wort kam ebenso unerwartet, als würde die Decke einstürzen. Ein Wort, das er sehr lange nicht gehört hatte.
»Ja?«
»Sie waren Mitglied in diesem Filmclub?«
»Das stimmt.« Er begriff die Wendung nicht, die das Gespräch genommen hatte.
»Können Sie uns mehr darüber erzählen?«
Spencer verschränkte die Arme vor der Brust und strengte sich an, eine Zeit aus der Erinnerung hervorzukramen, die Jahrzehnte zurücklag. Was gab es da zu erzählen? Vier erwachsene Menschen, drei Männer und eine Frau, die sich regelmäßig Filme ansahen. Und die hinterher in die Kneipe gingen, aßen und tranken und Verrisse schrieben.
»Was wollen Sie wissen?«
»Alles.«
»Warum? Was haben die Sterntaler mit der Sache zu tun?«
»Wir glauben, dass der Filmclub mit dem Mord an Rebecca Trolle im Zusammenhang stehen könnte.«
Sein Lachen kam aus dem Nichts. Doch er hielt inne, als er Cecilia Torssons Miene sah. »Aber meine Liebe, dieser Filmclub ist seit mehr als dreißig Jahren nicht mehr aktiv gewesen. Sie müssen schon verstehen, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass…«
»Wenn Sie bitte einfach meine Fragen beantworten würden? Dann sind wir beide hiermit schneller fertig. Ich kann leider nicht näher darauf eingehen, warum der Filmclub für uns von Interesse ist, aber wir wären für jede Information, die Sie uns geben können, sehr dankbar.«
Ihre Stimme war geradezu flehend, als wünsche sie, dass Spencer einen Zauberstab hervorholen und in einem Moment die ganze Ermittlungslage verändern möge.
»Ich fürchte, ich muss Sie enttäuschen«, sagte er und hoffte, dass er aufrichtig klang. »Ich war der Letzte, der in die Gruppe gewählt
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