Sterntaler: Thriller (German Edition)
einziges Mal hatte er sie im Gefängnis besucht. Schwer zu sagen, ob dies ein Maß für seine mangelhaften Fähigkeiten als Vater oder für sein schlechtes Urteilsvermögen war.
»Du musst reden, Thea«, hatte er zu ihr gesagt. »Wenn es irgendetwas gibt, was du zu deiner Verteidigung sagen kannst, dann musst du es jetzt tun. Jetzt! Sonst ist es zu spät.«
Ihr Schweigen hatte ihn provoziert.
»Die Beweislage ist erdrückend. Nichts, aber auch gar nichts spricht dafür, dass du unschuldig bist. Ich verstehe das nicht. Wie konntest du nur so… gestört werden?«
Mein lieber Papa, Kinder werden, wozu man sie macht.
»Ich habe Mama verboten, dich zu besuchen. Nicht solange du dich so verhältst. Verstehst du, was ich sage, Thea? Du wirst schrecklich einsam sein.«
Solange ich mich erinnern kann, war ich einsam.
Schließlich hatte er sich erhoben und sie ein letztes Mal angesehen. »Ich schäme mich für dich«, hatte er geflüstert. »Ich schäme mich, eine Mörderin zur Tochter zu haben.«
Und ich schäme mich, einen Idioten zum Vater und eine einfältige Gans zur Mutter zu haben.
Theas Hände zitterten, und die Zeitung raschelte. Sie ahnte, wer der tote Mann war. Es war der eine, der alles hätte verändern können, der aber verschwunden war, als sie ihn am dringendsten brauchte.
Die Polizei hatte gedacht, er sei aus freien Stücken verschwunden, doch Thea hatte die ganze Zeit über befürchtet, dass er tot war. Sie hatte sich gewünscht, dass er zurückkommen möge, und nicht verstanden, warum niemand ihn finden konnte. Wie tief musste man einen Menschen begraben, damit niemand ihn fand? Knapp zwei Meter, sagte die Polizei. So tief hatte er in der Erde gelegen. Wie viele Füße mussten über seine Leiche hinweggetrampelt sein, ohne zu wissen, was unter dem Moos und den heruntergefallenen Ästen verborgen lag?
Sie schloss die Augen und wünschte sich, ihre Gedanken würden aufhören zu kreisen. Die Polizei würde einige Zeit brauchen, um herauszufinden, um wen es sich handelte und was er mit Rebecca Trolle zu tun hatte. Und mit Thea.
Ob sie wohl herausfinden würden, dass in dem verdammten Grab noch mehr Leichen lagen?
14
» WIR GRABEN TAG UND NACHT , aber es ist schwer, all die verdammten Journalisten fernzuhalten«, sagte der Polizeiinspektor.
Alex und sein Kollege Torbjörn Ross, der als Erster am Fundort von Rebecca Trolle gewesen war, hatten ihm aufmerksam zugehört.
»Braucht ihr mehr Leute?«
»Mindestens fünf mehr, wenn wir irgendetwas erreichen wollen. Wir trauen uns nicht, Maschinen zu benutzen, sondern graben von Hand. Aber jetzt wird es langsam unzumutbar, die Jungs halten nicht mehr lange durch.«
Torbjörn dachte nach. »Sollten wir Hilfe von der Bürgerwehr erbitten?«
»Check mal die Möglichkeiten ab«, riet Alex. »Wenn hier noch mehr Leichen darauf warten, entdeckt zu werden, dann will ich die im Laufe des Wochenendes geborgen haben.«
Der Polizeiinspektor verließ das Büro, um zu der Grabungsstelle zurückzukehren, die immer größere Ausmaße annahm. Er hatte ihnen versprochen, alles zu tun, was in seiner Macht stand. Wenn da noch mehr Leichen lagen, dann sollten die vor Sonntagabend ans Tageslicht geholt werden.
Jetzt war Freitag, und Alex wusste kaum, wohin die Tage verschwunden waren. Ein Verhör jagte das nächste, eine Besprechung folgte auf die andere, dazu ein nie versiegender Strom von Gedanken und Überlegungen.
»Wirst du übers Wochenende arbeiten?«, fragte Torbjörn.
»Wahrscheinlich.«
»Meine Frau und ich fahren zu unserem Sommerhaus. Komm doch mit.«
Alex’ Blick war unsicher, er wusste nicht recht, was er antworten sollte.
Peder tauchte in der Tür auf. »Treffen wir uns hier?«
Alex nickte und wandte sich wieder Torbjörn zu, während Peder sich an den Tisch setzte.
»Wir haben jetzt eine Besprechung. Der Rechtsmediziner hat versprochen herzukommen und uns zu informieren.«
Mehrere Personen betraten den Raum, Stühle scharrten über den Boden, als sie unter den Tischen hervorgezogen wurden und die Ermittler Platz nahmen.
»Was dein Angebot angeht…« Alex zögerte. »Ich weiß nicht. Es sieht so aus, als würde es am Wochenende viel zu tun geben. Keine Ahnung, ob ich hier wegkomme.«
Eine feste Hand auf seiner Schulter, Torbjörns Blick, der seinen einfing. »Dann schlage ich mal vor, dass du über die Sache nachdenkst und dich meldest, wenn du es dir überlegt hast. Sonja und ich würden uns freuen, wenn du uns Gesellschaft leistest. Und vor
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