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Sterntaucher

Sterntaucher

Titel: Sterntaucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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hat sich in ihm aufgestaut, aber Robin, denke ich, geht auf Dorians Konto, und dafür krieg ich auch sein Geständnis. Er hat sie gerächt, nicht? Ich meine, es ist doch ein Unding, daß sie da einfach so herumliegt wie ein verscharrtes Vieh im Wald, das ist so –«
    »Warte es ab«, sagte Nicole.
    Ina legte die Fingerspitzen aneinander und spürte das Zittern darin. »Nicki, wie war das für dich, als du da reingeguckt hast? In dieses Grab?«
    Nicole ließ sich Zeit. Ihre Stimme blieb gleichmütig, als sie schließlich sagte: »Es ist halt keine schöne Arbeit.« Sie strich ihre langen Locken zurück. »Manchmal zieht man Wasserleichen heraus oder zerrt Verkohlte aus abgebranntem Schutt, die sind dann so schwer, saut man sich ein, muß man jedesmal um eine neue Uniform betteln und kriegt dann eine, die eh schon auseinanderfällt – ich weiß nicht, ich versuche nichts zu denken.«
    »Na, wenn das geht«, murmelte Ina. Als sie einen Arm ausstreckte und spürte, wie Nicole ihre Hand nahm, wollte sie ein paar Stunden lang schlafen, mit dem Gesicht zur Sonne und einem leichten Wind auf der Stirn. Aus den Augenwinkeln sah sie Kissel aus dem Gebäude kommen, erkannte ihn an seinen ausgetretenen, nie geputzten Schuhen. Als sie das erste Mal mit ihm arbeitete, hatte sie sich geschworen, nie so zu werden wie er, nicht so gleichgültig den Toten gegenüber, nicht so bissig gegenüber den Lebenden, nicht so abgestumpft und träge. Doch diese Ungerührtheit war sicher nicht das Schlechteste, ließ vielleicht Raum für ein besseres Leben nach Dienstschluß. Doch was machte er abends? Sie hatte ihn das mal gefragt, worauf er lächelte und sagte: »Ich lebe still vor mich hin.«
    Sie sah ein kleines, irritiertes Lächeln in seinen Augen, als er vor ihnen stehenblieb und fragte: »Störe ich?«
    »Meine Güte«, sagte Ina, »laß mich doch mal zehn Minuten Pause machen, ich bin seit sieben –«
    »Männlich«, sagte Kissel.
    »Du? Wieso?«
    »Sie steht wieder auf der Leitung.« Mit einem hingerissenen Lächeln wandte er sich an Nicole. »Eine noch nicht identifizierte männliche Leiche haben Sie ausgebuddelt.«
    »Sag ich doch«, murmelte Nicole. »Das war keine Frau.«

[ 17 ]
    Dorian öffnete das Fenster und lehnte sich weit hinaus. Die Bullen waren noch immer da, hockten faul in ihrem dunklen Vectra und warteten auf ihn. Wer hatte das angeordnet, Kissel, die Henkel, oder kam das von oben, vom Staatsanwalt? Welchen Grund gab es, ihn zu überwachen, einen Kollegen, warum trauten sie sich das? Log Billa ihnen etwas vor, weil sie plötzlich Angst um ihre Spelunke hatte und deshalb die Kripo auf ihn hetzte, Billa, die sich an ihr bißchen Leben klammerte, das sie hinterm Tresen versoff? Für sie wäre es besser, wenn er nicht mehr da wäre, um die Kneipe zu übernehmen, weil sie dann weitermachen konnte in ihrem Dreck. Robin, so viel hatte er erfahren, mußte mittags gestorben sein, an diesem schwarzen Dienstag, als Dorian sein Bier im Taubenschlag trank. Der kleine Fernseher lief. Über dem Tresen in der Ecke hing er und war nur selten an, weil er flimmerte und so ramponiert war wie alles da drin. Eine rotblonde Frau sprach die Nachrichten, sie ähnelte seiner schönen Nicole. Er starrte hoch zum Fernseher, während der kaputte Bierhahn unaufhörlich tropfte und Billa Hufnagel mit den Fingern auf den Tresen schlug, er starrte hin, bis die rote Frau verschwunden war und das Wetter kam und die Werbung. Mittags im Taubenschlag, ja, so war das gewesen. Ein tropfender Bierhahn und eine ferne, rotblonde Frau, als Robin starb.
    Er sah herunter auf den dunklen Wagen. Man könnte diese Bullen ein bißchen herumführen, was meinst du, Robbi, sollen wir sie verarschen? Zeigen wir ihnen den Zoo mit den Löwen und dem Vogelgehege, in dem womöglich gar die bunten Raben aus Afrika fliegen, von denen Katja mir erzählt hat, wirklich, Dori, sagte sie, in Afrika sind viele Raben bunt.
    Interessiert dich nicht, nein?
    Nichts bewegte sich im Wagen. Wären sie näher an seinem Fenster, könnte er einen Eimer Wasser auskippen, wie Robin es gemacht hätte, klar, du hättest sicher noch Nägel reingetan, du Spinner, oder Meister Proper.
    Er schloß das Fenster wieder und setzte sich an den Küchentisch, an dem er seit dem frühen Morgen so reglos saß wie seine Bewacher unten im Wagen. Der tote Robin sprach jetzt weniger mit ihm, nur nachts, da schlug er Purzelbäume und raubte ihm den Schlaf.
    Ich laß dich doch raus, du mußt nur gehen.
    Jetzt, am

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