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Sterntaucher

Sterntaucher

Titel: Sterntaucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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für eine Frau«, sagte Nicole.
     
    Zwei Tage Warten, Tage, in denen die Zeit zum Stillstand kam. »Ich sage nichts«, hatte der Pathologe schon an der Fundstelle erklärt, »ich spreche nur, wenn ich mir sicher bin. Im übrigen habe ich zwei ungeklärte Todesfälle aus einer Klinik liegen, das eilt momentan.« Zwei Tage, in denen Kissel sechsmal seine Ansicht änderte. Wenn die Kammer bezüglich Robin nicht in Frage kam, dann Kemper. Oder Belloff, was in seinem ganz speziellen Fall sogar bedeuten würde, Belloffs Frau. Das war die Abteilung Zeugen ausräumen, Kemper, Belloff, das ganze Geschmeiß, das sich durch Robin Kammer bedroht fühlen konnte. Nicht zu vernachlässigen auch das, was Kissel die innere Abteilung nannte, Beziehungstäter, Mörder aus Haß, Mörder aus Liebe, Mörder aus Gier. Was war mit den Tillmanns, und wie sah es mit Hollstein aus, der ihm vielleicht sein letztes Essen kochte, waren diese Leute tatsächlich hinreichend überprüft? Blieb Dorian. Kissel spuckte seinen Namen aus wie einen allerletzten Trumpf, blieb die Tatsache, daß sie unversehens zwei Opfer hatten und Dorian Kammer am Anfang und anscheinend auch am Ende stand. Alibi hin oder her, der war nicht normal.
    »Erst die Mama«, sagte Kissel, »später den Bruder. Sieht er die Pflegeeltern auch als Verwandtschaft an? Wird wieder peinlich, wenn die Presse dann Polizeibeamter schreibt.«
    Sie ließen ihn überwachen, was nicht viel brachte, weil er seine Wohnung nicht verließ. Niemand kam, niemand ging. Zu jeder vollen Stunde riß er die Fenster auf und guckte fünf Minuten lang auf die Straße, bevor er sie wieder schloß.
    Der Pathologe meldete sich nicht.
    Es war wie bei diesem bescheuerten Brettspiel: zurück auf Null. Bist bis hierhin gekommen, und dann kickt dich jemand raus; Mensch, ärgere dich nicht, versuch, nicht zu schreien. Alles auf Anfang, und dazwischen hat dir jemand das Ziel zerstört. Ina versuchte das Tempo zu erhöhen, keine Ruhe, Ruhe war tödlich, Ruhe trieb das Rad an im Hirn. Nicht grübeln, nicht denken, nur immer weiter wie geölt. Noch einmal versuchte sie Robin Kammers letzten Weg zu gehen, der sich zwischen der Wohnung dieses Hollstein, dem Taubenschlag und einem unbekannten Ort verlor. In Hollsteins kleiner Wohnung saß nun ein anderer Junge, dem ein Lächeln von vollendeter Schönheit gelang, als Hollstein sich empörte.
    »Ich schon wieder?« rief er. »Sie haben doch schon mein ganzes Leben inspiziert, was hab ich denn getan? Man kriegt sie nicht mehr los«, sagte er versonnen zu dem Jungen, »wenn die einen nicht leiden können, kriegt man die ums Verrecken nicht los.«
    Erneut ließ sie ihn erzählen, wie Robin zu ihm kam und wann er das letzte Mal ging. Es gab keinen Widerspruch zu ihren Notizen, nur den, daß Hollstein jetzt aggressiver war, nicht mehr so wehleidig klein.
    »Ich werde wiederkommen«, sagte sie, nur um ihn zu ärgern. Dann fuhr sie vierzig Kilometer, um ihre Mutter zu besuchen, blieb eine halbe Stunde und machte auf dem Rückweg im Taubenschlag halt. Als sie die Tür aufschob, fiel ihr ein, daß sie am frühen Morgen, kurz vor dem Aufwachen, von dieser Hufnagel geträumt hatte. Sie erinnerte sich nicht mehr, was es war, nur an das merkwürdige Gefühl beim Aufstehen, an den vagen Wunsch, noch einmal mit ihr zu reden. Wenn sie Pech hatte, ging es wieder los und sie fing an, auch von den Leichen zu träumen mit ihrer grauweißen Haut und diesen Augen aus einer anderen Welt. Wenn es wieder soweit ist, halte der Polizeipsychologe gesagt, kommen Sie wieder.
    Bloß nicht.
    Nur zwei Männer waren da, die Zeitung lasen. Die Wirtin saß an einem Tisch weitab von ihren Gästen. Es roch nach billigem Schnaps, wo sie saß.
    Ina zog einen Stuhl zurück und sagte: »Ich bin lästig, ich weiß.«
    Langsam hob Billa Hufnagel den Kopf. »Ja«, sagte sie nach einer Weile.
    Ina schob den übervollen Aschenbecher zur Seite. »Wissen Sie was, es gibt wichtigere Dinge als die Treue zu einem Stammkunden.«
    »Sicher«, sagte die Hufnagel. »Wieso?«
    »Dorian hat seinen Bruder gehaßt, nicht wahr? Wie oft haben die sich hier gezofft?«
    »Das kam schon mal vor.« Die Hufnagel schien aufstehen zu wollen, aber sie schien auch zu merken, daß es so einfach nicht war. »Es ging wohl meistens um Geld. Dorian konnte es nicht leiden, wenn er ihn dauernd an …, angeschnorrt hat, ja richtig, das mochte er nicht, der verdient ja selber nicht viel.«
    »Nein«, murmelte Ina. »Wann sagen Sie mir die Wahrheit?

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