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Sterntaucher

Sterntaucher

Titel: Sterntaucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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Erst wenn ich sie Ihnen auf den Tisch lege? Dann haben Sie Ärger.«
    »Tatsächlich?« Die Hufnagel klang amüsiert. »Dann habe ich Ärger, aha. Wie sieht so eine Wahrheit denn aus, die Sie mir auf den Tisch legen wollen? Dorian war hier, ich kann’s nicht ändern. Vielleicht gehen Sie von einer falschen Zeit aus.« Mühsam stemmte sie sich hoch. »Wie nennen Sie das, Todeszeit?«
    »Ja.«
    »Todeszeit«, wiederholte sie. »Dorian hat mal ein Lied hier gesungen, daß alles seine Zeit hat, das Leben, das Sterben – na ja, vielleicht auch die Liebe und der Haß.« Sie stützte die Hände auf die Stuhllehne und murmelte: »Heißt das nicht Exitus?«
    »Ja, medizinisch.«
    »Aha.« Die Hufnagel schritt mit der Würde einer Betrunkenen zum Tresen. »Das klingt besser«, sagte sie. »Da stellt man sich nicht so viel vor. Möchten Sie was trinken, hab ich Sie das schon gefragt?«
    »Nein, ich –« Ina spürte den Rauch, der in den Augen brannte, wann war hier das letzte Mal gelüftet worden? Langsam ging sie zur Tür und sah sich noch einmal um. Die Wirtin hatte ihr wieder den Rücken zugedreht.
    Der Mann, der hinter ihr herkam, hatte seine Zeitung noch in der Hand. »Hören Sie mal?« rief er draußen. »Es geht doch um diese Kerle, nicht?«
    Ina blieb stehen. Er schlug die zusammengefaltete Zeitung in seine Handfläche. »Der Knirps, der ist tot, der mit der Brille. Der Große ist sein Bruder, nicht?«
    Sie nickte.
    Der Mann kam auf sie zu und sagte: »Neonazis.«
    »Ach ja.«
    »Natürlich, bei dem Knirps gehe ich jede Wette ein, da brauchen Sie nicht so überheblich zu gucken. Wenn der hier reinkam, sind einige gegangen, so hat der sich aufgeführt. Ging hin, schmiß den Leuten die Karten durcheinander, trat gegen die Stühle, der hat Terror gemacht, verstehen Sie? Und dann diese streichholzkurzen Haare, machen Sie mir doch nichts vor.« Er schlug mit seiner Zeitung in die Luft. »Eine Frau, die neben ihm saß, hat er mal angebrüllt, sie soll verschwinden, weil sie stinke, wie eine Fotze nur stinken könne, bitteschön, das waren seine Worte. Und der Billa, der Wirtin, hat er ins Gesicht geschlagen, weil sie ihm nicht schnell genug seinen Kaffee gebracht hat.«
    Ina rieb sich die Nase. »Wie hat sie reagiert?«
    »Nichts hat sie gemacht, hat es hingenommen. Die hatten Angst vor ihm, alle. Die Billa hat sich nicht getraut, ihn rauszuschmeißen, wohl weil die wußte, daß er dann mit einer ganzen Bande zurückkommt und alles kurz und klein schlägt.« Er klemmte sich die Zeitung unter den Arm. »Jetzt fängt der Große ganz genauso an, benimmt sich auch schon wie ein Schwein. Kümmern Sie sich da mal. Das muß man euch ja extra dazusagen, daß ihr euch um die Neonazis kümmern sollt, das macht ihr ja nicht von alleine.«
    »Finden Sie?«
    »Das weiß ich.« Er ging ohne Gruß und schloß ein Taxi auf, einen dieser Kleinbusse, in dem man als Einzelgast wie auf dem Präsentierteller saß. Ina schrieb sich die Nummer auf.
    Zurück im Präsidium sah sie die gelben Zettel durch. Keine Nachricht vom Pathologen. Kissel hatte die Beine auf dem Tisch und sagte: »Du bist so zappelig.«
    »Ich sollte mal was essen.«
    »Ja, dann mach doch.« Er gähnte. »Wenn es die Katja Kammer ist, freut sich die Presse. Dann wird sie noch mal richtig berühmt.«
    »Du bist ein Arsch«, sagte sie.
    »Was ist los, bist schon den ganzen Tag so mürrisch.« Er legte die Hände hinter den Kopf. »Schlechten Sex gehabt?«
    »Hatte ich einen Blackout?« Sie warf ihm eine Akte auf den Schoß. »Bist du das gewesen?«
    Zu Hause kochte sie Toms Lieblingsessen und hatte das Gefühl, daß ihr übel würde, wenn sie mehr als zwei Bissen davon aß. Sie wollte Geschichten über verrückte Hotelgäste von ihm hören oder seine unendlichen Erzählungen aus dem Leben einer Großfamilie, doch hatte er keine Zeit zu reden, wenn es Hähnchenbrustfilet mit chinesischer Reispfanne süßsauer gab.
    »Ich war heute bei meiner Mutter«, sagte sie. »Die hat sich total verändert.«
    »Mmh«, nuschelte er. »Habt ihr euch wieder vertragen?«
    »Es geht so. Die sieht vollkommen anders aus, kannst du dir das vorstellen? Ewig häng ich ihr in den Ohren, sie soll sich mal ’ne gescheite Frisur machen lassen, jetzt kommt so ein Typ, und da rast sie zum Friseur.«
    »Ist doch gut«, sagte er.
    »Neue Schuhe hatte sie auch.«
    Als er hochsah, funkelten seine Augen. »Gönnst du es ihr nicht?«
    »Natürlich gönn ich ihr das, blöde Frage. Aber du solltest den Typ sehen,

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