Stets Zu Diensten, Mylady
davon zu profitieren.
Auf den ersten Blick erkannte er, dass sie bereits begonnen hatte, von ihren Quäkerkleidern Abschied zu nehmen. An diesem Nachmittag trug sie ein veilchenblaues Straßenkleid mit hübschen Spitzeneinsätzen. Selbst der Ausschnitt war ein wenig großzügiger und ließ die wunderbar reine Pfirsichhaut ihres Dekolletés erkennen.
Er konnte nicht ahnen, dass Miss Rowallan am frühen Nachmittag Lady Leominster einen Besuch abgestattet hatte.
Die gefeierte Gastgeberin und ehemalige Mätresse des Prinzregenten hatte am Abend zuvor zu den Opernbesuchern gehört, die mit Interesse die Vorgänge in Miss Rowallans Loge verfolgten. Höchst erfreut begrüßte sie ihre unerwartete Besucherin, durfte sie doch nun auf vertrauliche Informationen aus erster Hand hoffen, die sie dann umgehend weiterzugeben gedachte.
Genau darauf zielte Miss Rowallan mit ihrem Besuch ab. Allerdings hatte sie noch einen weiteren Grund.
“Haben Sie ein besonderes Anliegen auf dem Herzen, meine Liebe, das Sie zu mir führt? Kann ich Ihnen behilflich sein?”, fragte Lady Leominster ohne lange Umschweife. Sie war bekannt für ihre Direktheit und kam damit Miss Rowallans Wesen verständlicherweise sehr entgegen.
“Natürlich haben Sie mich durchschaut, Lady Leominster”, räumte Rebecca mit einem etwas verschämten Lächeln ein. “Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten. Falls meine Bitte aber zu ausgefallen erscheint, dann sagen Sie es mir geradeheraus.”
Insgeheim vor Neugier fast platzend, äußerlich jedoch ruhig und freundlich reserviert, erwiderte die
Grande Dame
der Londoner Gesellschaft: “Das kann ich beim besten Willen erst entscheiden, wenn Sie mir Ihre Bitte mitgeteilt haben. Im Prinzip bin ich nur zu gern bereit, Ihnen zu helfen.”
Miss Rowallan legte eine rührend mädchenhafte Schüchternheit an den Tag, die bei Will Shafto, wäre er denn anwesend gewesen, gewiss ungehemmte Heiterkeit ausgelöst hätte. Eine schüchterne Rebecca Rowallan, das war etwas völlig Neues.
“Sie waren so liebenswürdig, mich zu Ihrem Ball am kommenden Freitag einzuladen”, begann sie zögernd. “Würden Sie mir erlauben, einen Bekannten mitzubringen? Selbstverständlich wird Mrs Grey mich begleiten.”
“Selbstverständlich” wiederholte Lady Leominster. Sie glaubte, erraten zu können, was als Nächstes kam.
Miss Rowallan beschloss, es sei nun an der Zeit, ihrer Gastgeberin reinen Wein einzuschenken. Sie sah ihr zum ersten Mal direkt in die Augen und erklärte, noch immer mit zögernder, leiser Stimme: “Erst vor kurzer Zeit habe ich Mr Will Shafto kennengelernt, und er ist ein überaus erfreulicher Unterhalter, so klug und geistreich, wissen Sie. Ich habe mit ihm sogar über Literatur sprechen können. Und da seine Verlobung mit Sarah Allenby gelöst, er also wieder frei ist, möchte ich Sie bitten, ihn als meinen Begleiter zu Ihrem Ball am Freitag zuzulassen. Ich glaube, Sie würden ihn ebenso charmant finden wie ich.”
Nach diesem letzten kompromittierenden Satz senkte Miss Rowallan verlegen die Augen, ganz so, als schäme sie sich, eingestehen zu müssen, dass sie sich zu Mr Shafto hingezogen fühlte. In Wirklichkeit dachte sie: Nach Lady Leominsters Miene zu urteilen habe ich meinen Fisch an der Angel, und morgen früh redet bereits der ganze
ton
darüber, wie sehr ich in Will Shafto verliebt bin.
“Meine Liebe”, antwortete Lady Leominster im vertraulichen Ton, “mit Vergnügen weite ich meine Einladung auf Mr Shafto aus! Sie haben sich bisher viel zu wenig amüsiert. Dies ist Ihre erste Saison in London, nicht wahr? Ich meine mich zu erinnern, den besagten Herrn bei mehreren Anlässen gesehen zu haben, wir sind einander allerdings nie vorgestellt worden. Nun, das sollte man am Freitag nachholen. Kann er tanzen?”
“Oh, wie ein junger Gott”, versicherte Miss Rowallan, die in Wahrheit nicht die leiseste Ahnung hatte, ob Mr Will Shafto jemals das Tanzbein schwang.
“Prachtvoll, meine Liebe, prachtvoll. Es wird ihm am Freitag nicht an Partnerinnen fehlen, und auch Sie werden keinen Tanz auslassen, das verspreche ich Ihnen.” Während Lady Leominster nach dem Butler läutete, sagte sie im Plauderton: “Sie leisten mir doch bei einem Gläschen Madeira Gesellschaft, nicht wahr? Wir waren bisher nicht eng befreundet, aber auch daran sollte sich etwas ändern. Ihre Allenby-Verwandtschaft bevorzugt ja leider die Partei, von der Leominster ganz und gar nichts hält.”
“Ich meinerseits bevorzuge meine
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