Stets zu Diensten
Constance war nicht nur überrascht – sie war zerschmettert.
Beach! Achtzehn Jahre lang war er ein makelloser Butler gewesen – und jetzt das! Plötzlich wurde vor ihren Augen alles schwarz, einschließlich Lord Ickenham. Er hätte ein Schauspieler sein können, der den Othello spielte und sich mit einem Sepia-Feuerzeug eine schwarze Zigarette anzündete.
»Wobei man natürlich«, so fuhr dieser negroide Mann fort, »die Gedanken für Beachs Tat verstehen kann. Tagelang hat Emsworth gegen diese Ministranten einen Heiligen Krieg geführt und erfüllte die Atmosphäre mit seinen Erzählungen, was er durch sie hatte erleiden müssen. Es ist daher leicht einzusehen, daß Beach – als treuer Ergebener – sich nicht mehr länger zurückhalten konnte. Heraus mit dem Messer und ans Werk, hatte er sich gesagt. Es wird Ihnen vermutlich auffallen, wie sehr der ganze Aufbau der Ermordung des Heiligen Thomas Beckett ähnelt. Sie werden sich erinnern, daß König Heinrich sagte, ›will mich denn keiner von diesem aufrührerischen Pfaffen befreien?‹ – bis seine Ritter schließlich beschlossen, daß man etwas tun müsse. Emsworth hat sich – vielleicht in etwas anderen Worten – genauso über die Ministranten geäußert, und Beach, der seine Butler-Pflichten sehr ernst nahm, dachte, daß er diesen jungen Gaunern beibringen müsse, daß sich Verbrechen nicht auszahlen und daß die Vergeltung sehr bald über jene kommt, die bei Schulfesten mit Semmeln Zylinderhüte von Köpfen schießen.«
Lord Ickenham legte eine Pause ein, um zu husten, denn er hatte sich an einer Rauchschwade verschluckt. Lady Constance war immer noch versteinert. Sie hätte genauso gut eine Statue sein können, die ihre Freunde und Gönner hatten anfertigen lassen.
»Sie sehen also, wie äußerst seltsam die Situation ist? Ob Emsworth Beach beauftragt hatte – oder nicht – Gesetz walten zu lassen, werden wir vermutlich nie wissen, aber das ist auch nicht so wichtig. Wenn diese Fotos jemals ans Tageslicht kommen, ist es unvermeidbar, daß Beach von seinem Amt zurücktreten wird, weil er diese Schmach nicht länger ertragen kann. Somit verlieren sie den besten Butler von ganz Shropshire. Da gibt es aber noch etwas. Emsworth wird zweifellos zugeben, daß er den Mann angespornt hatte; somit liegt die direkte Verantwortung auf ihm. Man kann sich daher vorstellen, daß die ganze Grafschaft ihn etwas von der Seite her anblicken wird, mit gespitzten Lippen und hochgezogenen Augenbrauen. Vielleicht wird er sogar bei der nächsten Landwirtschaftsausstellung völlig geschnitten. Wenn ich Sie wäre, Lady Constance, dann würde ich es mir noch einmal überlegen, ob ich Bill Bailey mit dem 2 Uhr 15 Zug davonjagen sollte. Wenn Sie es wünschen, werde ich selbst mit diesem Zug abreisen, aber Bill Bailey muß bleiben, so leid es mir tut. Im Laufe der Zeit werden Sie vielleicht aufgrund seines angenehmen Benehmens Ihr Vorurteil gegen Ihn ablegen. Ich werde Sie jetzt verlassen, damit Sie alles überdenken können«, sagte Lord Ickenham und verließ mit einem erneuten charmanten Lächeln das Zimmer.
Schon einige Zeit war verstrichen, seit er sie verlassen hatte, und noch immer saß Lady Constance regungslos im Sessel. Dann aber fuhr sie plötzlich hoch, als ob der Heilige Geist über sie gekommen sei. Ihre Hand griff nach einer Schreibtischschublade, in der sie Briefpapier, Umschläge und Telegrammformulare aufbewahrte. Sie nahm letzteres heraus, ergriff eine Feder und begann zu schreiben.
James Schoonmaker
1000 Park Avenue.
New York
Dann hielt sie einen Moment lang inne. Sie begann wieder zu schreiben:
»SOFORT KOMMEN. ÄUSSERST DRINGEND. MUSS SIE SEHEN.«
Es ist für einen wohlwollenden Mann immer schwierig, gezwungen zu sein, den Ruf eines unschuldigen Butlers zu schädigen, selbst wenn dies aus edlen Motiven geschieht; und der erste Gedanke nach einer derartigen Tat ist, diese wieder gutzumachen. Daher begab sich Lord Ickenham sofort, nachdem er Lady Constance verlassen hatte, in Beachs Arbeitsraum, wo er diesem, von sorgfältig ausgewählten Worten begleitet, eine versöhnende Fünf-Pfund-Note in die Hand gleiten ließ. Beach steckte das Geld unter großen Dankesbezeugungen in die Hosentasche, und auf die Frage, ob er wisse, wo sich augenblicklich Reverend Cuthbert Bailey aufhielt, antwortete er, daß er ihn vor wenigen Minuten in Begleitung von Miss Schoonmaker im Rosengarten gesehen habe.
Daraufhin beschloß Lord Ickenham, auch diesen Weg
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