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Stets zu Diensten

Stets zu Diensten

Titel: Stets zu Diensten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. G. Wodehouse
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das einem wie eine Mischung aus Gefängnis und Keksfabrik vorkommt. Dieses Gebäude ist das Tilbury Haus, der Sitz der Mammoth Publishing-Verlagsgesellschaft, jener Bienenstock, in dem Tag für Tag und Nacht für Nacht riesige Schwärme von Angestellten den Lesestoff für die große Masse herstellen. Denn die zahlreichen Tages- und Wochenzeitungen sind nicht, wie manchmal angenommen wird, Gesetze Gottes, sondern sie werden freiwillig produziert.
    Das Gebäude hat unzählige Fenster, wobei jene der ersten beiden Stockwerke vollständig nebensächlich sind, denn hinter ihnen befinden sich nur Redakteure oder Gegenstände. Doch hinter den mittleren drei Fenstern im dritten Stockwerk liegt Lord Tilburys Privatbüro; und wenn man Glück hat, kann man sogar einen Blick von ihm erhaschen, wenn er sich hinauslehnt, um etwas frische Luft zu schnappen. Dieser kurze Augenblick müßte von jedem Stadtbesucher sorgfältig eingeplant werden.
    Heute morgen jedoch hätte jeder Besucher erfolglos gewartet, denn Lord Tilbury saß regungslos an seinem Schreibtisch. Er saß dort schon einige Zeit. Eigentlich sollte er seiner Sekretärin, Millicent Rigby, ungefähr hundert Briefe diktieren, aber Millicent blieb in ihrem Büro, ohne ein Diktat aufnehmen zu müssen. Er sollte auch mit einem Dutzend Redakteuren Gespräche führen, aber auch diese blieben, wo sie gerade weilten.
    Er war tief in Gedanken versunken. Jeder, der ihn gesehen hätte, hätte ihn schreckerfüllt gefragt, was denn sein großes Gehirn so beschäftigte. Er hätte zum Beispiel gerade eine Erklärung aushecken können, die die Kanzlerämter erschüttern würde, oder über eine Möglichkeit nachdenken, wie man die Spaltung im Kabinett beseitigen könne, denn er nahm an all seinen Publikationen stets regen Anteil. Doch in Wirklichkeit dachte er über die Kaiserin von Blandings nach.
    Jedem noch so erfolgreichen Mann fehlt irgendetwas zu seiner vollkommenen Zufriedenheit. Lord Tilbury besaß Reichtum und Macht. Außerdem hatte er die beruhigende Gewißheit, daß er seinen Lesern, die auf ihrem geistigen Niveau von zwölf Jahren stehengeblieben waren, diese Freude auch weiterhin vermitteln konnte; – aber die Kaiserin von Blandings hatte er nicht. Seit jenem Tag, an dem er diese Zierde aller Schweinedamen kennengelernt hatte, hatte er sich danach gesehnt, sie in seine Buckinghamshire Schweinezucht aufzunehmen. Dies war die typische Reaktion für jeden Schweineliebhaber, der die Kaiserin nur einmal kurz ansah. Sie kamen, schauten, seufzten, gingen unglücklich und unzufrieden wieder fort und mußten den Rest ihres Lebens in Traurigkeit verbringen, ähnlich einem Mann, der in seinen Träumen von einer Göttin geküßt worden ist.
    Als das Telefon läutete, wurden seine düsteren Gedanken plötzlich unterbrochen. In schlechter Laune hob er den Hörer ab.
    »Hoy!« brüllte ihm eine Stimme ins Ohr; wobei er keine Schwierigkeiten hatte, den Sprecher zu erkennen. Er besaß zwar einen sehr großen Bekanntenkreis, aber der Duke of Dunstable war der einzige, der seine Gespräche mit diesem einsilbigen Laut eröffnete, dessen Tonfall ihn stets an einen Obsthändler erinnerte, der seine Blutorangen anpreist. »Sind Sie es, Stinker?«
    Lord Tilbury runzelte die Stirn. Es gab nur noch wenige Menschen aus den früheren Zeiten, die ihn so nannten. Selbst in der weit zurückliegenden Vergangenheit hatte er diese Anrede gehaßt, aber heute, wo er ein kultivierter Mann war, fand er sie noch widerlicher. Abgesehen von seinem Stirnrunzeln, schwoll sein ganzer Körper an. Er war ein kleiner, untersetzter Mann, der richtig aufquoll, sobald er sich ärgerte.
    »Hier ist Lord Tilbury«, sagte er knapp, wobei er die letzten beiden Worte besonders betonte. »Na?«
    »Was?« gröhlte der Duke. Er war am rechten Ohr etwas taub.
    »Na?«
    »Reden Sie lauter, Stinker. Flüstern Sie nicht.«
    Lord Tilburys Stimme wurde nun fast so laut wie die des Duke.
    »Ich sagte ›na?‹«
    »Na?«
    »Ja.«
    »Schön blöd, so etwas zu sagen«, sagte der Duke, wobei sich Lord Tilburys Stirnfalten vertieften.
    »Was ist, Dunstable?«
    »Eh?«
    »Was IST?«
    »Was ist was?«
    »Was wollen Sie?« keuchte Lord Tilbury und war nahe daran, den Hörer auf die Gabel zu werfen.
    »Es geht nicht darum, was ich will«, bellte der Duke, »sondern darum, was Sie wollen. Ich habe dieses Schwein.«
    »Was!«
    »Was?«
    Lord Tilbury antwortete nicht. Er saß starr in seinem Sessel und erweckte den Eindruck einer Märchenfigur, die

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