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Stevani Fuhlrott mit Christiane Hagn - Wenn mich jemand sucht – ich bin im Kühlschrank

Stevani Fuhlrott mit Christiane Hagn - Wenn mich jemand sucht – ich bin im Kühlschrank

Titel: Stevani Fuhlrott mit Christiane Hagn - Wenn mich jemand sucht – ich bin im Kühlschrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stevani Fuhlrott mit Christiane Hagn
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Adresse des Ortes aufweisen, an dem die Person verstorben ist. Aber der Friedhof in Neuenbeken hatte keine Adresse – zumindest nicht bis zu diesem Tag. So wurde dank Oma veranlasst, dass Straße und Hausnummer gefunden wurden, und ab ging die Post. Oma hätte dieser Aufwand um ihre Person bestimmt gut gefallen.
    Ich saß noch stundenlang auf dem lebensgroßen Abdruck im Gras und heulte um meine tote Oma! Leider gab es so gut wie nichts, was sie mir als kleines Andenken hätte hinterlassen können. Denn die letzten vier Jahre ihres Lebens hatte sie in einem Altenheim verbracht. (Meine Mutter hatte sich geweigert, sie aufzunehmen, schließlich war sie die Mutter des bösen Exmanns – der nur zufällig auch mein Vater war.) Nach Omas Tod sackten die Heimschwestern alles ein, was nicht angeschraubt war. Sie ließen mir nicht mal eine der schrecklichen Puppen zurück.
    Die ganze Geschichte, dass mein Vater das Kind der Krankenschwester und von Oma nur adoptiert war, recherchierte ich erst nach ihrem Tod. Erneut fühlte ich mich um die Chance betrogen, noch so einige – wie ich finde – berechtigte Fragen zu stellen. Dennoch sah ich davon ab, mich auf die Suche nach meiner »richtigen« Oma zu machen. Ich wusste ja nur, dass sie eine »dänische Krankenschwester« gewesen war – und das war einfach ein zu ungenauer Anhaltspunkt. Außerdem fürchtete ich, Oma könnte dann aus ihrem Grab steigen und mir die Leviten lesen. Sie sollte in Frieden ruhen.
    So war ich also immer noch dick, traurig, wütend und enttäuscht. Im Prinzip war alles wie immer. Und wie schon so oft war ich mit meinem Kummer allein. Denn der klägliche Rest meiner Familie bestand aus meiner Mutter, die aus ihrem geringen Interesse an Omas Leben oder Sterben keinen großen Hehl machte.
    Ich hörte abrupt auf zu essen. Und wie könnte man einen Hungerstreik besser tarnen als unter dem Deckmantel des Heilfastens?
SO SCHNELL KANNST DU GAR NICHT
»JO-JO« SAGEN!
Gewicht: 91 Kilo
Gefühlslage: Ich so: »Och bitte!«
Mein Leben so: »Och nö!«
    Entschlacken, auch bekannt als Heilfasten, bedeutet Verzicht auf feste Nahrung. Das Problem dabei: Nichts zu essen ist wie nicht zu atmen. Immer wenn ich extrem verzweifelt war, versuchte ich, nach dieser radikalen Methode zu fasten. Nie hielt ich es länger als drei Tage aus! Zusammengerechnet sind das aber auch sechzig Tage. Denn ich nahm mindestens zwanzig Anläufe. Aber es fühlte sich so kalt an, nach Winter und Steinzeit. Mein Geist war zu schwach, mein Körper auch und meine Seele litt.
    Oma war weg und ich versuchte, mich von nichts als Flüssigkeiten zu ernähren, die ich meist in Tränenform wieder ausschied. Ich weiß, dass viele Menschen, insbesondere Frauen, auf Heilfasten schwören. Angeblich soll man damit nicht nur Gewicht verlieren, sondern auch Körper und Seele reinigen. Doch Hand aufs Herz: Meist steckt doch ein Panikanfall wegen plötzlich festgestellter Gewichtszunahme dahinter – mit der Konsequenz, dass ab sofort das Essen eingestellt wird.
    Der einzige Vorteil dieser Diät war, dass sie relativ erschwinglich war, weil man so gut wie nichts dafür benötigt. Das dachte ich zumindest. Aber die diversen ausgesuchten Teesorten, Säfte und Abführmittel mussten natürlich frei sein von jeglichen Zusatzstoffen. Also musste ich spezielle Produkte kaufen und die waren doch nicht so günstig wie angenommen. Hinzu kamen die unberechenbaren Ausgaben für Kompensationskäufe im Sinne von »Wenn ich schon nicht essen darf, dann darf ich mir wenigstens dieses sauteure Kleid kaufen, in das ich in genau sechs Tagen auch reinpassen werde« – oder eben auch nicht.
    Wenn man mit dem Heilfasten beginnt, sollte man sich zudem in einem möglichst stressfreien Zustand und Umfeld befinden. Ich aber hatte nicht nur gerade meine verrückte und daher auch so geliebte Oma verloren, sondern stand noch dazu an einem beruflichen Wendepunkt, wenn auch eher unfreiwillig.
    Vier Wochen vor Weihnachten wurden nämlich alle Mitarbeiter des Verlages, in dem ich immer noch als Grafikerin und »Mädchen für alles« arbeitete, ins Chefbüro gerufen. Unsere Vermutung über den Grund für diese Aktion wurde bestätigt, als der Personalchef das Büro betrat und uns allen fristgerecht zum Ende des Jahres kündigte. Der Verlag wurde geschlossen, doch zumindest drückte man uns vorher »zur Entschädigung« noch eine Nikolaustüte mit Süßigkeiten in die Hand. Na, dann: halb so schlimm, oder?
    Ich versuchte, bis zum Ende loyal

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