Steve Jobs: Die autorisierte Biografie des Apple-Gründers (German Edition)
erklärt hatte, weiterhin tolle Software für den Macintosh zu produzieren. Außerdem wurde das Unternehmen als Konkurrent weniger bedrohlich, weil es bis dato Apples Strategie eines digitalen Knotenpunkts nichts entgegenzusetzen hatte. Gates und Jobs hatten ein sehr unterschiedliches Verständnis von Produkten und Innovationen, aber ihre Rivalität ließ beide überraschend viel über sich selbst nachdenken.
Walt Mossberg und Kara Swisher, Kolumnisten des Wall Street Journal, versuchten, beide anlässlich ihrer All Things Digital Conference im Mai 2007 zu einem gemeinsamen Interview zu bewegen. Mossberg lud zunächst Jobs ein, der derartige Konferenzen selten besuchte, und war überrascht, als dieser antwortete, er würde kommen, wenn Gates ebenfalls zusagte. Daraufhin akzeptierte auch Gates. Der Plan scheiterte allerdings beinahe wieder, als Gates in einem Interview mit Steven Levy von Newsweek ärgerlich auf eine Frage zu den »Mac-gegen-PC«-Fernsehwerbespots von Apple reagierte, in denen die Windows-Nutzer den hippen Mac-Anwendern als ziemlich träge und langweilig gegenübergestellt wurden. »Ich weiß nicht, warum die immer so tun, als sei ihr Produkt das bessere«, regte sich Gates auf. »Geht es hier um Ehrlichkeit oder nur darum, cool zu sein und zu lügen, wann immer es einem passt? Da ist einfach kein bisschen Wahrheit dran.« Levy goss noch Öl ins Feuer, indem er fragte, ob das neue Betriebssystem Windows Vista nicht einiges vom Mac übernommen habe. »Sehen Sie es sich doch an und schauen Sie nach, wer die neuen Sachen zuerst hatte, wenn Ihnen an den Fakten gelegen ist«, erwiderte Gates. »Wenn Sie aber ohnehin behaupten wollen, dass Steve Jobs die Welt erfunden habe und alle anderen automatisch später kamen, dann nur zu.«
Jobs rief daraufhin Mossberg an und meinte, angesichts von Gates’ Äußerungen gegenüber Newsweek halte er ein gemeinsames Interview nicht mehr für sinnvoll. Mossberg schaffte es aber, die Abmachung zu retten. Er wollte eine freundliche Diskussion, kein Streitgespräch, aber das schien unwahrscheinlich, nachdem Jobs bei einem Einzelinterview mit Mossberg kurz zuvor am selben Tag eine Spitze gegen Microsoft angebracht hatte. Auf die Frage nach der Beliebtheit von Apples iTunes-Programm auf Windows-Rechnern scherzte Jobs: »Na ja, das ist auch nicht mehr, als wenn man einem Verdammten in der Hölle ein Glas Eiswasser gibt.«
Als Gates und Jobs vor der gemeinsamen Gesprächsrunde am Abend in einem Hinterzimmer aufeinandertrafen, machte sich Mossberg also berechtigterweise Sorgen. Gates und sein Assistent Larry Cohen, der ihn bereits über Jobs’ Bemerkung unterrichtet hatte, waren zuerst da. Als Jobs einige Minuten danach hereinkam, nahm er sich eine Flasche Wasser aus dem Eiskübel und setzte sich. Nach kurzem Schweigen sagte Gates: »Ich bin also der Repräsentant der Hölle« – und zwar ohne zu lächeln. Jobs überlegte kurz, zeigte dann sein verschmitztes Grinsen und gab Gates das Eiswasser. Gates entspannte sich und der kritische Moment war vorüber.
Das Interview wurde zu einem faszinierenden Duett, bei dem die beiden Wunderkinder des digitalen Zeitalters zuerst vorsichtig, dann zunehmend freundlich übereinander sprachen. Sie antworteten freimütig, als die Technologiestrategin Lise Buyer, die im Publikum saß, wissen wollte, was beide vom jeweils anderen gelernt hätten. »Ich würde viel dafür geben, Steves Geschmack zu haben«, erwiderte Gates. Es gab vereinzelt nervöses Gelächter; Jobs hatte zehn Jahre zuvor die berühmte Bemerkung gemacht, Microsoft habe absolut keinen Geschmack. Aber Gates meinte seine Antwort ernst. Jobs habe einen instinktiven guten Geschmack, sowohl bei Menschen als auch bei Produkten. Er erzählte, wie er und Jobs zusammensaßen, als sie die Microsoft-Programme für den Macintosh durchsprachen. »Steve traf seine Entscheidungen immer nach einer intuitiven Einschätzung von Menschen und Produkten, die sogar ich schwer erklären kann. Er geht einfach anders an die Dinge heran. Für mich ist das magisch. Und deswegen, wow.«
Jobs starrte zu Boden. Später sagte er mir, wie sehr ihn Gates’ offene und positive Antwort überrascht hatte. Jobs war dann genauso ehrlich, allerdings nicht genauso positiv. Er beschrieb den großen Unterschied zwischen der Apple-Philosophie eines von Anfang bis Ende durchkontrollierten Produkts im Gegensatz zu Microsofts Offenheit für Software-Lizenzen an konkurrierende Hardware-Produzenten. Auf dem Musikmarkt
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