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Stevens, Chevy

Stevens, Chevy

Titel: Stevens, Chevy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Still Missing
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immer ganz sicher, warum ich ihn anrufe. Am
Anfang war es nicht einmal eine bewusste Entscheidung. Alles in meiner Welt
fühlte sich an, als sei es außer Kontrolle geraten, und dann war da das Telefon
in meiner Hand. Manchmal konnte ich nicht einmal sprechen - gute Sache, diese
Anrufererkennung. Er wartete ein paar Sekunden, und wenn ich dann immer noch
nichts gesagt hatte, fing er an, über den Fall zu reden, und wenn er keine
Neuigkeiten mehr für mich hatte, erzählte er mir witzige Anekdoten über Cops,
bis ich mich besser fühlte und auflegte, manchmal ohne auch nur auf Wiedersehen
zu sagen. Einmal musste er ganz genau beschreiben, wie man eine Waffe
ordentlich putzt, ehe ich ihn schließlich entließ. Ich kann es kaum glauben,
dass der Typ meine Anrufe trotzdem noch angenommen hat.
    Seit ein
paar Monaten sind unsere Unterhaltungen Dialoge anstatt hauptsächlich
Monologe, aber er hat mir nie etwas Persönliches von sich erzählt, und
irgendetwas an seiner Art hält mich davon ab nachzubohren. Wahrscheinlich ist
er deswegen weg; es hat etwas mit seinem Privatleben zu tun. Vermutlich haben
auch Cops eins.
     
    Die Cops,
die ich zum Teufel gejagt hatte, ließen mich ein paar Stunden allein in dem
Raum, lange genug, damit ich jeden Mauerstein mehrmals zählen konnte, und ich
fragte mich, ob sie meine Familie angerufen hatten und wer kommen würde, um
mit mir zu reden. Ich nahm den Rucksack ab und hielt ihn auf dem Schoß,
streichelte den rauen Stoff - irgendwie beruhigte mich diese Geste. Keiner von
diesen Schwachköpfen kam auf die Idee zu fragen, ob ich mal auf Toilette
müsste, und jetzt kam es mir zugute, dass ich so gut trainiert war, denn es
wäre mir nie in den Sinn gekommen, einfach aufzustehen und zu gehen.
    Endlich
öffnete sich die Tür, und ein Mann und eine Frau kamen herein, beide machten
ernste Gesichter und steckten in dunklem Anzug und Kostüm - im Fall des Mannes
war es ein sehr guter Anzug. Wegen seines kurzen grauen Haares schätzte ich ihn
auf Anfang fünfzig, aber sein Gesicht sah eher nach Mitte vierzig aus. Er war
mindestens einen Meter achtzig groß, und die Art und Weise, wie er seine
Schultern durchdrückte und den Rücken streckte, sagte mir, dass er stolz auf
seine Größe war. Er wirkte zuverlässig. Ruhig. Wenn dieser Typ auf der Titanic
gewesen wäre, hätte er zuerst seinen Kaffee ausgetrunken.
    Er sah mir
in die Augen, kam auf mich zu, sein Gang war geschmeidig und ohne Hast, und
streckte mir die Hand entgegen.
    »Hallo,
Annie, ich bin Staff Sergeant Kincade vom Dezernat für Kapitalverbrechen bei
der Polizei in Clayton Falls.«
    Nichts an
diesem Typ sah nach Clayton Falls aus, und ich hatte keine Ahnung, was ein
Staff Sergeant war, aber offensichtlich stand er eine Stufe über Jablonski und
seinem Handlanger. Sein Griff war kräftig, und als seine Hand aus meiner glitt,
ertastete ich Schwielen. Aus irgendeinem Grund war ich erleichtert.
    Die Frau
hatte bis jetzt an der Tür gewartet und schritt jetzt forsch auf mich zu. Ich
schätzte sie auf Ende fünfzig, sie war leicht dicklich mit riesigem Busen, aber
in dem Rock und dem Blazer standen ihr die Kurven gar nicht schlecht. Die Haare
waren kurz und ordentlich geschnitten, und ich hätte darauf gewettet, dass sie
ihre Strumpfhose jeden Abend auswusch und immer einen extrastabilen BH trug.
    Sie gab
mir die Hand, lächelte und sagte mit einem leichten Quebec-Akzent: »Ich bin
Corporal Bouchard. Es ist schön, Sie endlich kennenzulernen, Annie.«
    Sie nahmen
mir gegenüber Platz. Der Blick des Staff Sergeants wanderte zur Tür, wo der
ältere Typ gerade versuchte, einen dritten Stuhl hereinzubugsieren.
    »Wir
kommen gut zurecht, danke«, sagte Kincade. Jablonski blieb mit dem Stuhl mitten
in der Tür stehen. »Könnten wir vielleicht etwas Kaffee bekommen?«
    Kincade
wandte sich wieder mir zu. Ich schluckte ein Lächeln herunter oder zumindest
das, was einem Lächeln am nächsten kam, seit mein Baby gestorben war.
    Sie hatten
mich mit meinem Vornamen angesprochen, als wären wir dicke Kumpel, hatten mir
ihre aber nicht genannt.
    »Kann ich
bitte Ihre Visitenkarten haben?«, sagte ich.
    Die beiden
sahen sich an. Der Typ hielt ein paar Sekunden lang den Blickkontakt, dann
schob er seine Karte über den Tisch. Ihre Karte folgte prompt. Sein Vorname war
Gary und ihrer Diane. Gary sprach zuerst.
    »Also
Annie, wie ich schon sagte, wir gehören beide zum Dezernat für
Kapitalverbrechen in Clayton Falls, und ich habe die Ermittlungen in Ihrem

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