Stevens, Chevy
stürzen, ich wusste nicht, dass
du dich so heftig zur Wehr setzen würdest. Deine Mom sagte, die Presse würde
langsam das Interesse verlieren. Wir hatten keine andere Wahl, wir sind völlig
am Ende, Annie.«
»Ihr seid
völlig am Ende? Nein, Wayne, völlig am Ende ist man, wenn man fast jeden Abend
vergewaltigt wird. Wenn man sich wehrt und weint und schreit, damit er
schneller kommt. Wenn man nach Stundenplan pinkeln muss. Weißt du, was er mit
mir gemacht hat, als ich einmal heimlich gepinkelt habe? Er zwang mich, das
Wasser aus der Kloschüssel zu trinken. Aus der Kloschüssel, Wayne. Man lässt nicht einmal seinen Hund daraus trinken. Und du
behauptest, ihr wärt völlig am Ende?«
Mit Tränen
in den Augen schüttelte Wayne den Kopf.
»Meine
Tochter ist gestorben, Wayne.« Ich ergriff seine Hand und
drehte sie um. »Ihr Kopf war nicht größer als deine Handfläche, und sie ist tot. Und du
erzählst mir, meine Familie hätte mir das angetan? Ihr seid diejenigen, denen
ich am meisten vertrauen sollte, und ihr ...«
Ich hörte
meine eigenen Worte, und es traf mich wie ein Schlag.
Vornübergebeugt
umklammerte ich meine Beine, als ein ungeheurer Druck meine Brust
zusammenzuquetschen schien, und mein Kopf fühlte sich an, als steckte er in
einem Schraubstock. Ich schnappte unablässig nach Luft, während Wayne mir den
Rücken tätschelte und immer wieder sagte, wie leid es ihm täte. Es klang, als
würde er weinen. Die Ränder meines Blickfeldes wurden dunkel, und ich spürte,
wie ich nach vorn kippte.
Wayne
schlang die Arme um mich und hielt mich fest. »Verdammt, Annie, kipp mir hier
nicht um.«
Nach ein
paar Minuten hatte ich meine Atmung wieder unter Kontrolle, aber ich fühlte
mich immer noch zittrig und fror am ganzen Körper. Ich hob den Kopf und
schüttelte Waynes Arme ab. Ich holte noch einmal tief Luft, dann stand ich auf
und schritt vor der Bank auf und ab, die Arme fest um meinen Oberkörper
geschlungen.
»Seid ihr
auch in mein Haus eingebrochen?«
»Ja. Deine
Mom wollte direkt nach mir kommen, um dich zu retten, aber ich bin in dein
Schlafzimmer, und du warst nicht da, der Alarm ging los, und ich bin durchs
Fenster verschwunden. Als deine Mom dann über Nacht bei dir blieb, hast du ihr
erzählt, wann du morgens immer läufst ...«
Die Nacht,
in der meine Mom mir Annie-Bear-Kekse und meine Fotos gebracht hatte. Ich
setzte mich wieder hin.
Eine halbe
Ewigkeit saßen wir einfach da, sahen einander an, sagten nichts und versuchten
zu verstehen. Zumindest ich. Schließlich brach ich das Schweigen.
»Du weißt,
dass du dich stellen musst, oder?«
»Das ist
mir klar.«
Wir
starrten zum Spielplatz hinüber. Kein Kind weit und breit. Die Sonne war hinter
einer Wolke verschwunden, und im Schatten war es kühl. Eine leichte Brise
bewegte die Schaukel hin und her. Die Luft war erfüllt vom rhythmischen
Quietschen der Ketten und dem Geruch des aufziehenden Sturms.
»Weißt du
eigentlich, wie sehr ich deine Mom liebe?«
»Ich
weiß.«
Er holte
tief Luft, dann verstaute er die Karten wieder in der Verpackung. Ich wollte
ihn aufhalten, wollte sagen: Lass uns ein letztes Mal spielen. Aber dazu
war es zu spät. Es war für alles zu spät.
»Ich
begleite dich zum Polizeirevier.«
Gary war
gerade vom Gericht gekommen und sah sauer aus, als er mich mit Wayne sah, aber
sobald Wayne sagte, er wolle ein Geständnis ablegen, deutete Gary auf mich,
sagte: »Du gehst nirgendwohin«, und führte Wayne im Handumdrehen ab.
Die
nächsten Stunden verbrachte ich damit, auf dem Polizeirevier herumzulaufen, in
Zeitschriften zu blättern und die Wände anzustarren - ich zählte die Risse,
zählte die Flecken. Der Verrat meiner Familie schmerzte mehr als alles, was der
Psycho mir je angetan hatte, und an einer Stelle, die er niemals hätte berühren
können. Ich versuchte, vor dem Schmerz davonzulaufen, aber es gelang mir
nicht.
Endlich kam
Gary heraus.
»Du
hättest nicht mit ihm reden sollen, Annie. Wenn das nach hinten losgegangen
wäre ...«
Ich
reichte ihm das Tonband. »Aber das ist es nicht.«
»Wir
können das nicht verwenden ...«
»Dazu
zwingt euch auch niemand.« Auf keinen Fall würde ich mich entschuldigen.
Er
schüttelte den Kopf, dann erzählte er mir, dass Wayne, nach einem Gespräch mit
einem Pflichtverteidiger, beschlossen hatte, bei Zusicherung einer milderen
Strafe ein volles Geständnis abzulegen und gegen meine Mom auszusagen. Er war
verhaftet worden, angeklagt der Beihilfe zum
Weitere Kostenlose Bücher