Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stevens, Chevy

Stevens, Chevy

Titel: Stevens, Chevy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Still Missing
Vom Netzwerk:
Zeitplan zu halten, der dem des Psychos ähnelte, pinkelte ich nur,
wenn ich es absolut nicht länger aushielt, und dann auch nur in die Badewanne,
mit gespitzten Ohren auf jedes Geräusch achtend. Zu verängstigt, um zu duschen
oder zu baden, für den Fall, dass er nach Hause käme und mich dabei erwischte,
verzichtete ich auf beides, und wenn der Hunger mich zu sehr quälte, trank ich
Wasser. Ich malte mir aus, wie zu Hause alle bei Kerzenschein Nachtwache
hielten, und stellte mir vor, wie meine Freunde Meetings veranstalteten oder
Flugblätter verteilten, mit meinem lächelnden Gesicht darauf. Meine Mom musste
inzwischen verrückt geworden sein. Ich sah sie förmlich vor mir, wie sie
weinend zu Hause saß. Wahrscheinlich sah sie dabei sogar wunderschön aus -
Tragödien standen ihr gut. Die Nachbarn würden etwas zu essen vorbeibringen,
Tante Val telefonierte wild in der Gegend herum, und mein Stiefvater würde
meiner Mom die Hand halten und ihr sagen, dass alles wieder in Ordnung kommen
würde. Ich wünschte, ich hätte jemanden, der mir das
erzählte. Warum hatte mich noch niemand gefunden? Hatten sie schon aufgegeben?
Ich hatte noch nie von jemandem gehört, der vermisst wurde und Wochen später
gefunden wurde. Es sei denn, aus der Vermissten war inzwischen eine Leiche
geworden.
    Vielleicht
flehte Luke im Fernsehen darum, dass ich zurückkam. Oder würden die Cops ihn
befragen? War der Freund nicht immer der erste Verdächtige? Wahrscheinlich
verplemperten sie ihre Zeit mit ihm, anstatt nach dem Psycho zu suchen.
    Ich machte
mir Sorgen um Emma. Wer sich wohl um sie kümmerte? Bekam sie auch das richtige
Futter? Sie hatte so einen empfindlichen Magen! Gingen sie regelmäßig mit ihr
raus? Am meisten sorgte ich mich, dass sie denken könnte, ich hätte sie einfach
im Stich gelassen, und das brachte mich immer zum Weinen.
    Um mich zu
trösten, spulte ich die Erinnerungen an Luke, Emma und Christina wie ein Video
in meinem Kopf ab: Pause, rückwärts, Wiederholung. Eine meiner Lieblingsszenen
mit Christina war, wie wir beide uns mit Süßigkeiten vollstopften. Beim
letzten Halloween war sie zum Scrabblespielen zu mir gekommen, und wir
beschlossen, eine der Packungen aufzumachen, die ich für die Kinder gekauft
hatte. Aus einer Packung wurden zwei, dann drei und vier. Wir waren beide so
high vom Zucker, dass unser Scrabblespiel zu einer Ansammlung schmutziger
Wörter und hysterischen Gelächters ausartete. Am Ende hatten wir keine
Süßigkeiten mehr für die Kinder, so dass wir das Licht ausmachen mussten. Wir
hatten uns im Dunkeln versteckt, dem Feuerwerk zugehört und uns vor Kichern
nicht mehr eingekriegt.
    Doch meine
Gedanken kehrten immer wieder zu dem Psycho zurück und was er ihr jetzt wohl
antun mochte. Ich stellte mir vor, wie sie im Büro saß - vielleicht arbeitete
sie noch spät -, und malte mir aus, wie der Psycho draußen im Van wartete.
Meine Ohnmacht versetzte mich in Wut.
    Als ein
weiterer Tag vergangen war und ich eine neue Kerbe in die Wand gepresst hatte,
verspürte ich keinerlei Hunger mehr, aber das Gefühl, dass der Psycho zurückkommen
würde, hielt an. Wenn ich überleben wollte, musste ich vorbereitet sein. Mein
Versuch, ihn zu verführen, hatte mich beinahe umgebracht. Ich musste
herausfinden, warum er so ausgeflippt war, als ich so tat, als würde es mich
anmachen.
    War er ein
Sadist? Nein, es erregte ihn nicht sexuell, mich zu schlagen. Er spielte etwas
nach. Der Typ hatte eine Art Vorlage. Es begann mit dem Bad - vielleicht seine
Version des Vorspiels? -, und später wurde es härter. Worum zum Teufel ging es
ihm?
    Er sagte,
Frauen wollten keine netten Kerle, sie wollten alle wie Dreck behandelt werden.
Als ich zu offen versucht hatte, ihn zu verführen, geriet er außer sich vor
Wut, nannte mich eine Hure und sagte, ich sollte mich gegen ihn wehren. Er
musste denken, dass eine »gute« Frau insgeheim einen aggressiven Mann wollte,
der sie grob behandelte und sie überwältigte, aber in seiner Vorstellung zeigte
nur eine »Hure«, dass es ihr tatsächlich gefiel - eine gute Frau würde sich zur
Wehr setzen. Also fühlte er sich vermutlich nicht als Mann, solange ich mich
nicht vor ihm fürchtete.
    Er hatte
versucht, mir zu gefallen - indem er mir Angst machte und mir Schmerzen
zufügte. Und je weniger ich reagierte, desto mehr glaubte er, er müsste mir weh
tun. Heilige Scheiße! Er war ein Vergewaltiger, der glaubte, jede Frau hätte
Vergewaltigungsphantasien. Zumindest wusste ich

Weitere Kostenlose Bücher