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Stevens, Chevy

Stevens, Chevy

Titel: Stevens, Chevy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Still Missing
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dieser
Nacht konnte ich meine Tochter zum ersten Mal nicht ansehen, als ich sie
stillte. Sie trank die Ente, trank meine wunderschöne Ente, und ich fragte
mich, ob sie wohl meinen Schmerz schmeckte.
     
    Letzte
Nacht ist es mir verdammt schwergefallen, nicht in den Schrank zu kriechen,
Doc. Mein Zimmer war so dunkel, kohlrabenschwarz, und ich wurde das Gefühl
nicht los, dass etwas nach mir griff. Aber sobald ich die Taschenlampe
einschaltete, die ich bei meinem Bett aufbewahre, war da nichts. Ich
versuchte, bei Kerzenlicht einzuschlafen, aber das erzeugte nur gruselige
flackernde Schatten an der Wand. Ich machte das Licht an, aber davon wurde ich
vollends wach. Jetzt konnte ich jedes Knacken des Hauses noch besser hören, und
es ist ein altes Haus - es knackt also ständig. Die gute Nachricht ist, dass
ich letzte Nacht nicht im Schrank geschlafen habe. Die schlechte ist, dass es
ziemlich viele beschissene Nachtsendungen im Fernsehen gibt.
    Allerdings
hatte ich so genügend Zeit, um über Angst und all das nachzudenken, was Sie mir
über posttraumatische Belastungsstörungen erzählt haben und dass sie sich auf
verschiedene Arten zeigen können, aber ich kann Ihnen immer noch nicht sagen,
warum ich mich sicherer fühle, wenn ich im Schrank schlafe. Ich weiß nur, dass
ich mich im Bett irgendwie ungeschützt fühle. Es gibt so viele Möglichkeiten,
wie man an mich rankommen könnte - von den Füßen, von links, von rechts, selbst
von oben. Zu viel leerer Raum, der mich erdrückt.
    Je
schmerzhafter die Dinge werden, die ich Ihnen erzähle, desto dringender will
ich im Schrank schlafen. Sie haben mich gefragt, was ich nicht an mich
herankommen lassen will und ob es nicht vielleicht ein guter Zeitpunkt sei, einmal
zu überlegen, was hinter den nachklingenden Nebenwirkungen steckt - dieses
paranoide Jucken zum Beispiel, das niemals verschwindet, egal, wie sehr ich
kratze.
    Ich
scheine einfach das überwältigende Gefühl nicht abschütteln zu können, dass
ich immer noch nicht in Sicherheit bin. Ich weiß, dass das bescheuert ist, weil
die Cops mich echt ständig auf dem Laufenden halten, was die Ermittlungen
angeht, besonders der eine, Gary - Mann, der arme Kerl wünscht sich vermutlich,
er hätte mir nie seine Handynummer gegeben -, und sie haben mir gesagt, dass
ich nicht länger in Gefahr bin. Was sollen sie auch sonst sagen? Das ist ihr
verdammter Job - Menschen zu beschützen und so 'n Mist. Also warum zum Teufel?
    Bitte
verschonen Sie mich mit Ihrem »Das liegt nur an der posttraumatischen
Belastungsstörung und ist ganz normal bei Ihrer Geschichte blablabla ...«-Kram.
Sehen Sie, ich habe begriffen, dass ich mit riesigen Blockaden und Ängsten und
all dem Scheiß nach Hause gekommen bin. Wie gesagt, ich habe über alles
nachgedacht, was Sie mir erzählt haben, und sogar selber im Internet
recherchiert. Verdammt, ich hatte gehofft, dass es
nur das sei, aber das hier ist irgendwie anders. Es fühlt sich zu echt an.
    Und hier
sind Sie gefragt, Doc. Sie müssen mir helfen, diese Besessenheit loszuwerden,
ich sei immer noch nicht sicher. Dass irgendjemand oder irgendetwas da draußen
ist, um mich zu holen. Keine Sorge, ich erwarte jetzt kein Therapeutengeschwafel
als Antwort. Denken Sie darüber nach. Vielleicht habe ich es schon selbst
herausgefunden, wenn Sie in ein paar Wochen aus Ihren Ferien zurück sind - wäre
doch nett, wenn's so einfach wäre.
    Danke,
dass Sie mir einen anderen Therapeuten empfohlen haben, aber ich werde warten,
bis Sie zurückkommen. Kaum zu glauben, aber irgendwie habe ich Probleme damit,
Menschen zu vertrauen.
     
    13.
Sitzung
     
    Schön,
dass Sie wieder da sind, Doc. Zumindest eine von uns ist erholt. Ich mache es
Ihnen nicht gerade einfach, was? Ganz bestimmt brauchten Sie dringend eine
Pause nach den ganzen Horrorgeschichten. Sie sind gut darin, es zu verbergen,
aber ich weiß, dass es Ihnen nahegeht. Gleich in der ersten Sitzung ist mir
aufgefallen, dass Sie, wann immer ich etwas besonders Heftiges erzähle, eine
Ecke von Ihrem Notizblock abreißen und zwischen den Fingern zu einer Kugel
rollen. Je schneller Sie rollen, desto mehr berührt Sie das alles. Irgendwie
verrät sich doch jeder von uns.
    Wie
gesagt, ich freue mich, dass Sie eine schöne Zeit hatten, aber noch wesentlich
mehr freue ich mich, dass Sie wieder da sind. Letzte Woche hätte ich Sie echt
gebraucht. Und nein, nicht wegen des blöden Gefühls, dass da immer noch jemand
hinter mir her ist, von dem ich Ihnen beim

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