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Stevens, Chevy

Stevens, Chevy

Titel: Stevens, Chevy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Still Missing
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rebelliert, weil sie
nicht selbst entscheiden durften, als sie jünger waren.«
    Immer noch
ruhig sagte er: »Hat das deine Mutter getan? Dich zum eigenständigen Denken
erzogen?«
    Klar, ich
war immer so frei, genauso zu denken wie sie. »Nein, aber darum möchte ich,
dass meine Tochter ein besseres Leben hat. Möchtest du nicht, dass dein Kind
es besser hat als du?«
    Er hörte auf,
sie zu wiegen. »Was willst du damit sagen?« Mist.
    »Nichts!
Ich mache mir nur Sorgen, dass du womöglich Erwartungen hast, die nicht ...«
    »Erwartungen?
O ja, ich habe Erwartungen, Annie. Ich erwarte von meiner Tochter, dass sie
ihren Vater respektiert. Ich erwarte von meiner Tochter, dass sie eines Tages
zu einer Dame heranwächst - keiner Hure, die die Beine für jeden Mann
breitmacht, der vorbeikommt. Ich glaube nicht, dass das zu viel verlangt ist.
Oder versuchst du, meine Tochter zu einer Hure zu erziehen?«
    »Das
wollte ich damit überhaupt nicht sagen ...«
    »Weißt du,
was mit Mädchen geschieht, die mit der Vorstellung aufwachsen, sie könnten
tun, was immer ihnen gefällt? Ich habe eine Weile in einem Holzfällerlager
gearbeitet.« Der Psycho war Holzfäller? »Und da
gab es eine Hubschrauberpilotin. Sie sagte, ihr Vater habe ihr erklärt, dass
sie werden könnte, was immer sie wollte. Er war ein Dummkopf. Als ich sie
kennenlernte, hatte ihr Freund - einer der dämlichen Holzfäller im Camp - sie
gerade sitzengelassen.«
    Er schien
keine besonders gute Meinung von Holzfällern zu haben, also war er vielleicht
Vorarbeiter gewesen oder hatte im Büro gearbeitet.
    »Sechs
Monate lang habe ich ihr zugehört, wenn sie von diesem Neandertaler erzählte,
und ließ sie ihre jämmerlichen Tränen an meiner Schulter ausweinen. Irgendwann
sagte sie, sie wünschte, sie könnte einen netten Mann finden, also lud ich sie
ein, aber sie sagte, sie sei noch nicht so weit. Ich wartete. Eines Tages
erzählte sie mir, sie würde einen Spaziergang machen. Allein. Aber ein paar
Minuten später sah ich ihn das Camp
verlassen, und ich folgte ihm.«
    Er
schaukelte das Baby immer schneller, und es begann zu wimmern. »Sie lagen im
Wald auf einer Decke, und sie ließ zu, dass dieser Mann, den sie verachtete,
dieser Mann, der sie wie Müll weggeworfen hatte, Dinge mit ihr machte. Ich
wartete, bis er gegangen war, und versuchte dann mit ihr zu reden, versuchte
ihr zu erklären, dass er ihr nur wieder weh tun würde, aber sie sagte, ich
solle mich um meine eigenen Angelegenheiten kümmern, und ließ mich stehen. Sie ließ
mich einfach stehen! Nach allem, was ich getan hatte,
um sie zu beschützen, wollte sie zurück zu diesem Mann. Ich musste sie retten.
Sie ließ mir keine andere Wahl.« Er hielt das Baby fest umklammert, und ich
trat auf ihn zu und streckte die Arme aus.
    »Du tust
ihr weh!«
    »Sie hat mir weh
getan.« Als das Baby zu jammern begann, drehte er den Kopf und
starrte auf sie herunter, als wüsste er nicht, wie sie dorthin gekommen war. Er
schob sie in meine Arme, ließ sie dabei fast fallen und ging zur Tür. Mit der
Hand am Türrahmen sagte er über die Schulter gewandt: »Wenn sie eine von denen
wird ...« Er schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht zulassen.« Dann knallte
er die Tür hinter sich zu und überließ es mir, das Baby zu beruhigen, während
ich am liebsten selbst angefangen hätte zu schreien.
    Nach einer
Stunde kam er mit heiterer Miene wieder herein und ging hinüber zum Babykorb.
»Ich denke, wenn du dir überlegst, vor was ich sie bewahre, Annie - den Krankheiten,
Drogen und den Pädophilen, die blindwütig da draußen herumlaufen -, und dich
dann fragst, ob du wirklich das Beste für deine Tochter willst ...« Er beugte
sich über sie und lächelte ihr zu. »... dann wirst du feststellen, dass es an
der Zeit ist, ihr Leben über dein eigenes zu stellen.« Das Lächeln verschwand,
als er aufblickte und mich streng anstarrte. »Schaffst du das, Annie?« Mein
Blick fiel auf seine Hände, die auf ihrem winzigen Körper ruhten - Hände, die
mindestens einen Menschen getötet und wer weiß was mit der Hubschrauberpilotin
angestellt hatten.
    Mit
gesenktem Kopf sagte ich: »Ja, das schaffe ich.«
    Für den
Rest des Tages schrie jede Faser in mir danach wegzulaufen, und meine Beine
schmerzten vom Adrenalin, das meinen Körper in Alarmbereitschaft versetzte,
aber nicht in Bewegung münden durfte. Meine Hände zitterten, ich ließ Geschirr,
Kleidung, Seife, einfach alles fallen. Je ungeduldiger er wurde, desto mehr
Dinge

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