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Stevens, Chevy

Stevens, Chevy

Titel: Stevens, Chevy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Still Missing
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zuzudrücken. Ich ließ los.
    Er nahm
sie mir aus dem Arm und hielt sie sich an die Brust, dann stand er auf und ging
zur Tür.
    Ich wollte
etwas sagen, irgendetwas, um ihn zum Stehenbleiben zu bewegen, aber ich konnte
meinen Mund nicht dazu bringen, Worte zu bilden. Schließlich hielt ich die Decke
in die Höhe, warf sie in Richtung seines Rückens und stieß krächzend hervor:
»Kalt - ihr ist kalt.«
    Er blieb
stehen, kam zurück und stellte sich vor mich. Er nahm die Decke, starrte sie
jedoch nur in seiner Hand an, sein Gesichtsausdruck war nicht zu entschlüsseln.
Mit bittendem Blick streckte ich die Arme nach meinem Baby aus. Sein Blick traf
meinen, und einen Moment lang meinte ich, etwas in seiner Miene zu erkennen,
ein leichtes Zögern, aber in der nächsten Sekunde wurde sein Blick wieder finster,
und die Gesichtszüge verhärteten sich. Er zog ihr die Decke über den Kopf.
    Ich begann
zu schreien.
    Er war zur
Tür raus. Ich sprang vom Bett, aber es war zu spät.
    Meine
Fingernägel kratzten verzweifelt und vergeblich an der Tür. Ich trat und warf
mich dagegen, bis ich so mit blauen Flecken übersät war, dass ich nicht mehr
vom Boden aufstehen konnte. Schließlich hockte ich, die Wange an die Tür
gepresst, auf dem Boden und schrie ihren geheimen Namen, bis meine Kehle wund
war.
     
    Er blieb
mehr als zwei Tage fort. Ich weiß nicht, wie lange ich an die Tür gepresst dort
gekauert habe, schreiend und ihn anbettelnd, er möge sie zurückbringen. Ich
riss mir die Finger blutig, ruinierte alle meine Nägel, als ich an der Tür
kratzte, ohne auch nur die geringsten Spuren darauf zu hinterlassen.
Schließlich schleppte ich mich zurück ins Bett und weinte, bis keine Tränen
mehr in mir waren.
    In einem kläglichen
Versuch, den Schmerz hinauszuzögern, versuchte mein Verstand, herauszufinden,
was geschehen war, und einen Sinn in das Geschehen zu bringen, doch ich konnte
nur daran denken, dass es meine Schuld war, dass sie gestorben war, denn ich
war eingeschlafen. Hatte sie geschrien? Ich war so auf jeden Ton von ihr
eingestimmt, dass ich sie bestimmt gehört hätte. Oder war ich so erschöpft
gewesen, dass ich einfach weitergeschlafen hatte? Es war meine Schuld, alles
war mein Fehler, ich hätte wach bleiben und in der Nacht auf sie aufpassen
sollen.
     
    Als er die
Tür öffnete, saß ich auf dem Bett, mit dem Rücken an der Wand. In diesem Moment
wäre es mir egal gewesen, wenn er mich auf der Stelle umgebracht hätte. Aber
als er auf mich zuschlenderte, sah ich, dass er etwas in der Hand hielt, und
mir wurde ganz leicht ums Herz. Sie war noch am Leben! Er reichte
mir das Bündel. Es war ihre Decke, nur ihre Decke.
    Ich warf
mich auf den Psycho und hämmerte auf seine Brust ein. Bei jedem Schlag
wiederholte ich: »Du krankes Arschloch, du krankes Arschloch, du
krankes Arschloch!« Er packte mich am Oberarm, zog
mich hoch und hielt mich von sich fort. Wie ein rasender Straßenkater
zerkratzte ich die Luft.
    »Wo ist
sie?« Speichel sprühte aus meinem Mund. »Sag es mir auf der Stelle, du Bastard. Was hast du mit ihr gemacht?«
    Er sah
tatsächlich irritiert aus, als er sagte: »Aber ich habe dir doch gerade ...«
    »Du hast
mir ihre Decke gebracht. Eine Decke! Glaubst du, das wird mir meine Tochter
ersetzen? Du Idiot!« Hysterisches Kichern sprudelte
aus mir heraus und wurde zu Lachen.
    Er ließ
meine Arme los, mit einem dumpfen Aufprall landeten meine Füße auf dem Boden,
und ich stolperte nach vorn. Ehe ich das Gleichgewicht wiederfand, holte er aus
und knallte mir die Faust ans Kinn. Als der Boden auf mich zuraste, wurde der
Raum schwarz.
    Als ich
aufwachte, lag ich allein auf dem Bett, wohin er mich gelegt haben musste, und
mein Kiefer pochte. Die Decke meines Babys lag fein säuberlich zusammengelegt
auf dem Kissen neben mir.
     
    Bis heute
kennt niemand den Namen meines Babys, nicht einmal die Cops. Ich habe versucht,
ihn laut auszusprechen, nur für mich selbst, aber er bleibt mir in der Kehle
stecken und in meinem Herzen.
    Als der
Psycho mit ihrem Leichnam zur Tür hinausging, nahm er alles mit sich, was von
mir übrig geblieben war. Sie war erst vier Wochen alt gewesen, als sie starb -
oder umgebracht wurde. Vier Wochen. Das ist nicht lange genug für ein Leben.
Sie hat neunmal länger in meinem Bauch gelebt als in der Welt.
    In den
Zeitschriften sehe ich Bilder von Kindern im gleichen Alter, in dem sie jetzt
wäre, und ich frage mich, ob sie ebenso ausgesehen hätte. Wäre ihr Haar immer
noch

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