Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stevens, Chevy

Stevens, Chevy

Titel: Stevens, Chevy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Still Missing
Vom Netzwerk:
noch da. »Es tut mir leid«, schien das Blatt niemals füllen
zu können.
     
    In den
ersten Tagen nach unserer letzten Sitzung habe ich außer weinen nicht viel
anderes gemacht. Es brauchte gar keinen besonderen Anlass für mich, um wieder
anzufangen. Emma und ich konnten im Wald spazieren gehen, und der Schmerz traf
mich so heftig, dass ich mich unter der schieren Wucht zusammenkrümmte. Auf
einem unserer Spaziergänge hörte ich etwas, das klang wie Babygeschrei, aber
als ich auf dem Pfad herumfuhr, sah ich, dass es ein junger Rabe oben in einer
Tanne war. Als Nächstes erinnere ich mich daran, wie ich mitten auf dem Pfad
lag, die Hände in den Dreck gekrallt, und in die Erde weinte, während Emma
versuchte, ihre Schnauze an meinem Hals entlangzuschieben und mir das Gesicht
sauberzuschlecken.
    Als könnte
ich meinem Schmerz davonlaufen, sprintete ich nach Hause, und es fühlte sich
gut und vertraut an, als meine Füße dumpf auf die Erde trommelten. Emma lief
vor mir, und das Klimpern ihres Halsbands brachte die Erinnerung daran zurück,
wie wir früher zusammen gejoggt sind, eine weitere Sache, die mir einmal Spaß
gemacht und die ich vergessen hatte. Jetzt laufe ich jeden Tag. Ich laufe, bis
ich schweißüberströmt bin und nur noch an den nächsten Atemzug denken kann.
    Luke hat
eine Woche, nachdem ich hier war, angerufen - er hatte vorher schon Nachrichten
hinterlassen, ich möge ihn doch bitte zurückrufen, wenn mir danach sei, aber
ich hatte nicht darauf reagiert. Er hörte auf, Nachrichten zu hinterlassen,
aber er rief immer noch alle paar Wochen an, obwohl ich nie ans Telefon ging.
Seit dem letzten Anruf ist ein Monat vergangen, kurz bevor ich ihn mit dieser
Frau gesehen habe, und ich hätte nicht gedacht, dass er es noch einmal
versuchen würde.
    Als das
Telefon klingelte, war ich gerade unten in meiner Waschküche, und ich musste
rumrennen, um das schnurlose Ding zu finden. Sobald ich seine Nummer sah,
legte mein ohnehin schon rasendes Herz den Turbogang ein, und ich hätte das
Telefon beinahe wieder hingeschmissen, aber mein Finger lag schon auf dem
grünen Knopf, und er sagte: »Hallo?«, ehe ich recht begriff, was ich getan
hatte. Ich merkte gar nicht, dass ich nicht geantwortet hatte, bis er sagte:
»Annie?«
    »Hallo.«
    »Du bist
rangegangen! Ich wusste nicht, ob du abnehmen würdest ...« Er schwieg, und ich
wusste, dass ich etwas sagen sollte, irgendetwas, das freundlich klang, etwas,
das bedeutete, ich freue mich, dass du anrufst.
    »Ich habe
gerade die Wäsche gemacht.« Klasse, genauso gut hätte ich ihm sagen können, ich
sei auf dem Klo gewesen.
    »Störe
ich?«
    »Nein, ich
meine ja, aber das ist okay. Die Wäsche kann warten.«
    »Ich habe
dich vor ein paar Wochen gesehen und wollte dich gleich anrufen, aber ich
wusste nicht, ob es dir recht wäre.«
    »Du hast
mich gesehen?«
    »Als du
gerade aus dem Supermarkt gegangen bist. Ich habe noch versucht, dich
einzuholen, aber du warst zu schnell.« Mein Gesicht brannte. Mist, er hatte
mich tatsächlich gesehen.
    Ich
wartete darauf, dass er etwas über die Frau sagte, doch als er es nicht tat,
erwiderte ich: »Wirklich? Ich habe dich gar nicht bemerkt. Ich hatte es eilig
und wollte nur schnell was holen, aber in dem Laden gab es das nicht.«
    Wir
schwiegen beide ein paar Takte, dann sagte er: »Und was treibst du so? Ich
hatte erwartet, deine Schilder in irgendwelchen Vorgärten zu sehen.« Ich unterdrückte
den Drang, schäbig zu sein und zu erklären, die letzten Schilder, die ich in
meinem Leben aufgestellt hätte, wären die bei der Open-House-Besichtigung
gewesen, auf der ich verschleppt worden war. Ich wusste, dass er mir nicht weh
tun wollte.
    »Da kannst
du lange warten.«
    »Ich
vermisse es, an ihnen vorbeizufahren. Wenn ich dein vierblättriges Kleeblatt
gesehen habe, musste ich immer lächeln.«
    Ich hatte
mich für clever gehalten, vierblättrige Kleeblätter auf meine Schilder,
Visitenkarten und die Autotür drucken zu lassen. Mein Werbespruch lautete
»Annie O'Sullivan - mit dem Glück der Iren«. Daraus hatte meine ganze Marketingstrategie
bestanden. Wenn das keine Ironie ist!
    »Eines
Tages vielleicht - aber womöglich mache ich auch was ganz anderes.« Von der
Brücke springen, zum Beispiel.
    »Du wirst
in allem Erfolg haben, egal, was du anfängst, aber wenn du wieder als Maklerin
arbeitest, wirst du sofort wieder drin sein. Du warst so gut in dem Job!«
    Nicht so
gut, wie ich sein wollte, nicht so gut, wie meine Mom fand,

Weitere Kostenlose Bücher