Stevens, Chevy
mich auf den Stuhl
sacken.
»Ich kann
einfach nicht. Noch nicht ...«
Seine Augen
flehten mich an, es ihm zu erklären, meine Gefühle mit ihm zu teilen, wie ich
es immer getan hatte, aber ich konnte nicht.
»Ich will
dir nur helfen, Annie - ich komme mir so verdämmt nutzlos vor. Gibt es denn
gar nichts, was ich für dich tun kann?«
»Nein!» Das Wort
klang wütend, es klang gemein, und sein
Gesicht zuckte, als hätte ich ihn geschlagen. Er konnte nichts tun, niemand
konnte etwas tun. Es war dieses Wissen, das mich dazu brachte, ihn in jener
Sekunde zu hassen - und mich selbst in der nächsten, weil ich so empfand.
Seine
Lippen verzogen sich zu einem wehmütigen Lächeln, dann schüttelte er den Kopf
und sagte: »Ich bin echt ein totaler Idiot, was? Ich hatte gedacht, wir könnten
einfach reden, ich würde alles verstehen ...«
In meinem
Schmerz legte ich es darauf an, auch ihn zu verletzen. »Du kannst es nicht
verstehen. Du wirst es niemals verstehen.«
»Nein, du
hast recht, wahrscheinlich nicht. Aber ich möchte es versuchen.«
»Ich will
einfach nur in Ruhe gelassen werden.« Die Worte hingen im Raum zwischen uns
wie Fliegen auf dem Kadaver von dem, was von unserer Beziehung übrig geblieben
war. Er nickte und stand auf. Innerlich schrie ich: Es tut mir
leid. Ich nehme es zurück. Ich habe es nicht so gemeint. Bitte bleib.
Aber er
hatte bereits die Schiebetür geöffnet. Er dankte Mom für das Abendessen und
sagte, dass er zurück ins Restaurant müsse. Wahrscheinlich würde er das Rezept
bekommen, so höflich, wie er war. So höflich. Während ich mit rotem Kopf
dasaß, mit meiner Scham und meinem Bedauern.
Dann stand
er an der Tür, die Hand am Knauf, drehte sich noch einmal um und sagte: »Es tut
mir so leid, Annie.« Die Aufrichtigkeit in seiner Stimme tat mir tief drinnen
weh, an Stellen, von denen ich geglaubt hatte, sie seien so voller Schmerz,
dass ich unmöglich noch mehr spüren könnte, und ich wandte mich ab, wandte mich
ab von seiner Schönheit und seiner Freundlichkeit und ging an ihm vorbei durch
den Flur, ohne auch nur den Anstand zu haben, ihm in die Augen zu schauen. In
meinem Zimmer hörte ich, wie die Vordertür zufiel, und dann, wie er mit seinem
Truck davonfuhr. Nicht einmal schnell vor Wut, wie ich es getan hätte, sondern
langsam. Traurig.
Jetzt,
Monate später, unterbrach er mich am Telefon und sagte: »Bitte hör auf, Annie.
Du schuldest mir keine Entschuldigung, mir zuallerletzt. Ich habe es
vermasselt. Ich hätte nicht einfach so aufkreuzen dürfen. Ich habe dich gedrängt.
Ich könnte mich tausendmal dafür ohrfeigen. Deshalb habe ich immer wieder
angerufen. Ich wusste, dass du dir die Schuld dafür geben würdest.«
»Ich war
so gemein zu dir.«
»Du
hattest alles Recht dazu - ich war ein unsensibler Trottel. Darum habe ich
versucht, auf Distanz zu bleiben, aber vielleicht bist du immer noch nicht
bereit, mit mir zu reden? Ich wäre dir nicht böse, wenn du nein sagst. Versprochen.«
Das war immer so ein Spiel zwischen uns gewesen - er sagte, ich liebe dich,
und ich, selbst nach einem Jahr nicht gewillt, es ebenfalls auszusprechen,
erwiderte: versprochen?
»Ich
möchte mit dir reden, aber ich kann nicht über das sprechen, was geschehen
ist.«
»Das musst
du auch nicht. Wie wäre es, wenn ich einfach ab und zu mal anrufe, und wenn
dir danach ist, gehst du ran, und wir quatschen, über was immer du willst.
Meinst du, das geht? Ich will dich nicht noch einmal bedrängen.«
»Das geht.
Ich meine, ich werde es versuchen. Langsam wird es langweilig, immer nur mit
Emma und meiner Therapeutin zu reden.«
Sein
leises Lachen löste die Spannung.
Danach
quasselten wir eine Weile über Emma und Diesel, seinen schwarzen Labrador. Schließlich
sagte er: »Ich ruf dich bald wieder an, okay?«
»Fühl dich
nicht verpflichtet dazu.«
»Das tue
ich nicht. Und du fühl dich nicht verpflichtet, ans Telefon zu gehen.«
»Werde ich
nicht.«
In der
nächsten Woche rief er wieder an, und diese Woche auch, Doc, und wir haben uns
kurz unterhalten, meistens über das Restaurant oder unsere Hunde, aber ich weiß
immer noch nicht, was ich davon halten soll. Es gefällt mir, aber manchmal
verspüre ich Wut ihm gegenüber. Wie kann er immer noch so freundlich zu mir
sein? Ich verdiene es nicht - das wird er bald kapieren. Seine verdammte Güte
bringt mich dazu, ihn zu lieben und gleichzeitig zu hassen. Ich will ihn
hassen. Ich bin wie eine Wunde, die gerade vernäht worden ist,
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