Stich ins Herz - Robb, J: Stich ins Herz - Origin in Death (Death 21)
aufgewandt, um die körperliche Perfektion der jungen Frauen zu bewahren.
Doch es gab noch andere Missbrauchsformen, und einige davon erschienen auf den ersten Blick wie das genaue Gegenteil.
Irgendwo in seinen Aufzeichnungen fand sich das Motiv. An irgendeinem Ort fand sich eine genaue Dokumentation dieses unheimlichen Projekts. Dort würden sie Dolores finden. Davon war sie überzeugt.
»E ve.«
Als sie die bekannte Stimme hörte, drehte sie sich um. Mira stand reglos in der offenen Tür und sah sie müde an. »I ch bin gekommen, um mich für mein Verhalten heute Morgen zu entschuldigen.«
»K ein Problem.«
»O h doch. Und zwar für mich. Ich würde gern hereinkommen und die Tür hinter mir schließen.«
»S icher.«
»I ch würde mir nämlich gern die Unterlagen ansehen, mit denen Sie vorhin zu mir gekommen sind.«
»I ch habe sie bereits einer anderen Medizinerin gezeigt. Es ist also nicht erforderlich, dass Sie …«
»B itte.« Mira setzte sich auf den Besucherstuhl und faltete die Hände fest in ihrem Schoß. »D arf ich sie sehen?«
Wortlos griff Eve nach den Kopien und hielt sie Mira hin.
»R ätselhaft«, stellte die Ärztin nach einem Augenblick des Schweigens fest. »U nvollständig. Wilfred war in sämtlichen Bereichen seines Lebens ein sehr ordentlicher Mensch. Selbst die Rätselhaftigkeit von diesen Unterlagen deutet auf eine gewisse Systematik hin.«
»W arum haben die Mädchen keine Namen?«
»S o konnte er besser Distanz zu ihnen wahren, es hat ihm geholfen, sie objektiv zu sehen. Er hat diese Mädchen jahrelang behandelt, und ich würde sagen, er wollte nicht das Risiko eingehen, dass es zu einer emotionalen Bindung kommt. Sie wurden gehegt und gepflegt.«
»A ber zu welchem Zweck?«
»D as kann ich nicht sagen. Aber sie wurden gut versorgt, hervorragend ausgebildet und ein ums andere Mal getestet, um ihnen die Gelegenheit zu geben, ihre persönlichen Stärken und Talente zu erforschen und gegen ihre Schwächen anzugehen. Die Behandlung der Mädchen, die etwas schlechter abgeschnitten haben und bei denen eine Besserung nicht zu erwarten war, wurde abgesetzt. Er hat hohe Ansprüche gestellt. Aber dafür war er schließlich auch bekannt.«
»W as hätte er gebraucht, um dieses Projekt durchzuziehen?«
»I ch bin mir nicht mal sicher, was das für ein Projekt ist. Aber er hätte Untersuchungs-, Behandlungs- und Laborräume, Zimmer oder Schlafsäle für die Patientinnen, einen Küchen- und Essbereich, eine Sporthalle oder einen Sportplatz und Klassenräume gebraucht. Er hätte von allem nur das Beste haben wollen. Darauf hätte er bestanden. Falls diese Mädchen wirklich Patientinnen waren, hätte er gewollt, dass sie es komfortabel haben, dass sie gut behandelt werden, dass die Umgebung sie stimuliert.«
Sie hob den Kopf und sah Eve an. »E r hätte kein Kind missbraucht. Er hätte niemals einem Kind vorsätzlich Schaden zugefügt. Das sage ich nicht als seine Freundin, Eve. Das sage ich als Psychologin. Er war Arzt aus Leidenschaft.«
»H ätte er illegale Experimente durchgeführt?«
»J a.«
»D as sagen Sie ohne zu zögern.«
»F ür ihn standen die Wissenschaft, die Medizin, deren Nutzen und die Möglichkeiten, die sie bieten, über dem Gesetz. Und damit hatte er teilweise sogar Recht. In gewisser Weise hätte er sich sicher als über dem Gesetz stehend erachtet. Er war weder grausam noch gewaltbereit, aber er war arrogant.«
»F alls er ein Projekt, bei dem junge Mädchen zu perfekten Frauen herangezogen worden sind, geleitet hat oder auch nur daran beteiligt war, hätte dann sein Sohn davon gewusst?«
»O hne jeden Zweifel. Ihr Stolz aufeinander und ihre Zuneigung waren tief und echt.«
»D ie von Ihnen beschriebenen Örtlichkeiten, die langfristige Behandlung, wie sie in den Unterlagen angedeutet wird, die Ausrüstung und die Sicherheitsmaßnahmen. All das hätte jede Menge Geld gekostet, oder nicht?«
»I ch schätze, schon.«
Eve beugte sich zu Mira vor. »H ätte er sich bereit erklärt, eine … nennen wir sie Absolventin seiner Schule zu empfangen? Sie war für ihn nur eine Nummer, ein Forschungsgegenstand, aber trotzdem hat er über Jahre hinweg mit ihr gearbeitet und ihre Fortschritte verfolgt. Wenn sie irgendwann nach ihrer Unterbringung Kontakt zu ihm aufgenommen hätte, hätte er sich dann bereit erklärt, sie auch zu sehen?«
»S ein professioneller Instinkt hätte ihm davon abgeraten, aber sowohl sein Ego als auch seine Neugier hätten ihn dazu
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