Stich ins Herz - Robb, J: Stich ins Herz - Origin in Death (Death 21)
hinter dem Schreibtisch war für sie ein Symbol. Ein Zeichen seiner Macht, ein Zeichen dafür, dass er alles unter Kontrolle hat. Sie wollte, dass er an dem Platz, der seine Macht verkörpert, stirbt. Weil sie ihm auf diese Weise seine Macht genommen hat. Du sitzt in deinem teuren Anzug hinter deinem wunderschönen Schreibtisch in deinem prachtvollen Büro hoch über der Stadt, herrschst über das Zentrum, das du aufgebaut und dem du deinen Namen gegeben hast, und weißt nicht, dass du gleich sterben wirst.«
»K alt«, fügte Peabody hinzu.
»D ie Frau, die als Letzte diesen Raum verlassen hat, war sogar eiskalt. Nachdem genügend Zeit vergangen ist, erhebt sie sich von ihrem Platz.«
Eve stand auf und Peabody machte es ihr nach. »E r hat sich sicher ebenfalls erhoben«, meinte sie. »S chließlich war er ganz die alte Schule. Wenn sich also eine Frau von ihrem Platz erhoben hat, hat er das auch getan. Genau, wie er sich erhoben hat, als sie hereingekommen ist.«
»G uter Gedanke. Also hat sie gesagt: ›Bitte, bleiben Sie doch sitzen‹ und hat vielleicht noch eine entsprechende Handbewegung gemacht. Sie musste weiterreden, aber ohne ihn argwöhnisch zu machen. Sie hat ihm also sicher keine Vorwürfe gemacht, sondern irgendetwas Freundliches, Belangloses gesagt. Dann musste sie zu ihm hinter den Tisch.«
Eve machte die Schritte, die sie im Geiste vor sich sah. Ging langsam und gelassen, mit völlig ruhigem Blick um den Schreibtisch herum und sah, wie ihre Partnerin instinktiv eine Vierteldrehung mit dem Sessel machte, um sie von vorn zu sehen.
»D ann hat sie …« Eve beugte sich so weit zu Peabody herunter, bis ihre Gesichter fast auf einer Höhe waren. Und piekste ihr mit dem Kugelschreiber, den sie in der Hand verborgen hatte, in Höhe ihres Herzens auf die Brust.
»H immel!« Peabody fuhr zusammen. »E inen wirklich eigenartigen Moment lang habe ich mir tatsächlich eingebildet, Sie wollten mich küssen oder so. Und dann haben Sie stattdessen … oh.«
»J a. Der Winkel, in dem das Skalpell in ihn eingedrungen ist. Sie muss gestanden haben, während er gesessen hat, aber wenn man bedenkt, wie groß sie war, hat sie sich eindeutig über ihn gebeugt. Sie ist also von der Seite auf ihn zugetreten und er hat sich – genau wie eben Sie – automatisch mit dem Stuhl zu ihr herumgedreht. Die Waffe hatte sie in ihrer Hand versteckt. Er hat sie nicht bemerkt. Denn er hat statt auf ihre Hand in ihr Gesicht geblickt.«
»S ie hat ihm also das Skalpell ins Herz gerammt und aus. Er hat sie eindeutig gekannt. Ich gehe jede Wette ein, dass sie eine der ›untergebrachten‹ jungen Frauen war. Vielleicht hat er ihr sogar dabei geholfen, den falschen Ausweis zu bekommen, vielleicht hat das einfach zum Service dazugehört. Auch wenn sie vielleicht ein Profi ist, habe ich immer weniger den Eindruck, dass dies ein Auftragsmord war.«
»D er Sohn hat sie nicht gekannt. Da gehe ich jede Wette ein.«
»V ielleicht hat er sie einfach nicht er kannt. Was etwas völlig anderes ist.«
Eve stapfte durch den Raum und runzelte die Stirn. »W arum hatte er keine Unterlagen hier? Hier, wo er zwei, drei Tage die Woche gearbeitet hat. Warum hat er keine der kodierten Akten hier in seinem Büro, in seinem Machtzentrum gehabt?«
»W enn es ein Nebenjob war, hat der seiner Meinung nach vielleicht nicht hierher gehört.«
»J a.« Trotzdem studierte Eve den Schreibtisch und den zum Zeitpunkt des Mordes abgesperrten Aktenschrank. Inzwischen hatte sie die Akten, die darin gelegen hatten, aber vielleicht war das, was sie bekommen hatte, ja nicht alles, was jemals an Unterlagen hier gewesen war.
Die Tür wurde geöffnet und Will Icove kam herein. »W as machen Sie hier?«, fragte er in unfreundlichem Ton.
»U nseren Job. Dies ist ein Tatort. Und was machen Sie hier?«
»D ies ist das Büro von meinem Vater. Ich weiß nicht, was Sie hier suchen oder weshalb Sie offenkundig größeres Interesse daran haben, den guten Namen meines Vaters zu beschmutzen, als die Frau zu finden, die ihn ermordet hat, aber …«
»E s ist unser Ziel, seinen Mörder oder seine Mörderin zu finden«, gab Eve kühl zurück. »A ber wenn wir dieses Ziel erreichen wollen, müssen wir uns eben mit Dingen beschäftigen, die Ihnen vielleicht nicht gefallen. War die Frau, die sich Dolores Nocho-Alverez genannt hat, eine Patientin Ihres Vaters?«
»S ie haben seine Unterlagen durchgesehen. Haben Sie sie darin gefunden?«
»I ch glaube nicht, dass wir schon alle
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