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Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman

Titel: Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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Schienen zu schmieden wie die Engländer, um ein ebenso aggressives und zu allem entschlossenes Heer
     heranzuziehen wie die Franzosen   ...«
    Deutschland hatte dieses Heer gerade vernichtend geschlagen, wie konnte dieser Mensch so etwas als Kommentar in der größten
     Berliner Tageszeitung veröffentlichen? »Sowohl Konservative als auch Nationalliberale sind sich in einem einig: Das, was wir
     jetzt am dringlichsten brauchen, ist ein Kordon der Sicherheit für unseren Staat. Graf Bismarck hat Verhandlungenaufgenommen, die zum Ziel haben, den revanchesüchtigen Nachbarn durch Einkreisung zu isolieren. Die kaiserlichen Hoheiten
     in Wien und Moskau zeigen bereits Interesse daran, sich auf europäischer Ebene an einer Absprache zu beteiligen, die die Hitzköpfe
     in Paris etwas abkühlen wird. Wie aus dem Büro des Grafen Bismarck zu erfahren ist, stehen Konsultationen zwischen Kaiser
     Wilhelm I., Kaiser Franz Joseph I. und Zar Alexander III. kurz bevor.«
    Lamartine warf die Zeitung auf den Tisch. Er stand auf, rückte seine Jacke zurecht, ging in die Mitte des Zimmers und ohrfeigte
     den Justizminister.
    Die Ohrfeige war so kräftig und gezielt geführt, daß der Knall auf der Stelle alle Gespräche beendete. Sieh an, dachte Lamartine
     noch, dieses Geräusch der verletzten Ehre tut in Berlin ebenso seine Wirkung wie in Paris.
    Simons hielt seine Backe und starrte Lamartine mit halboffenem Fischmund an.
    »Monsieur!« zischte die Baronin. »Das ist der Justizminister!«
    »Und wenn es der deutsche Kaiser persönlich wäre: Niemand hat das Recht, Sie in aller Öffentlichkeit so zu behandeln. Wenn
     die anwesenden deutschen Herrschaften nicht Manns genug sind, dem Einhalt zu gebieten, muß ich als Fremder eben in die Bresche
     springen!«
    Die gerügten Ehrenmänner redeten laut durcheinander.
    »Das hat Folgen, Monsieur!« stammelte der Justizminister.
    »Meine Herren!« beschwichtigte die Baronin. »Es handelt sich hier um ein bedauerliches Mißverständnis! Die Sache wird in wenigen
     Sekunden aufgeklärt sein. Bitte!«
    Das flehende »Bitte« war gleichzeitig eine Aufforderung an die Damen, sich um die Ablenkung der aufgebrachten Gäste zu bemühen.
     Aus den Augenwinkeln beobachtete Lamartine, wie hier und da geküßt und gestreichelt wurde, eine Hand verschwand im Hosenschlitz
     eines besonders verärgerten Herren, und die Empfangsdame persönlich drängte ein ältliches Männchen mit einem vor Wut hochroten
     Kopf zur Treppe.
    »Was wollen Sie überhaupt von meinem Gast?« fragte die Baronin.
    Lamartine antwortete übertrieben laut: »Als Ehrenmann ist es mir unmöglich mitanzusehen, wie dieser Rüpel ihr wertes Hinterteil
     mit seinem Zeigefinger belästigt!«
    Die Baronin wurde rot. Lamartine genoß diesen Anblick: Eine Pariser Bordellchefin wurde niemals rot, und die Baronin sah schön
     wie eine Madonna aus.
    »Stopft dem Franzmann das Maul!« schrie einer. Sofort drängten einige Herren – allerdings überaus vorsichtig, immerhin war
     der Justizminister in die Sache verwickelt – nach vorne.
    »Halt!« gebot der Bass des Justizministers. »Das ist ganz allein meine Angelegenheit. Ich werde doch mit einem Dreckskerl
     wie diesem Monsieur alleine fertig werden!« Die Herren wichen erleichtert zurück. Simons trat auf Lamartine zu, er überragte
     den Franzosen um einen halben Kopf. »Obwohl Sie es wahrscheinlich nicht wert sind – aber der Vorfall ist so schwerwiegend,
     daß ich Sie auf der Stelle um Satisfaktion bitte!«
    Ein Raunen ging durchs Foyer. Die Baronin hängte sich bei Simons ein und führte ihn von Lamartine weg. Sie redete verzweifelt
     auf ihn ein. Der Justizminister aber schüttelte nur seinen Kopf. Lamartine sah, daß Simons im Nacken der Schweiß ausbrach,
     und er wunderte sich, wie ruhig er selbst dabei blieb.
    Der Justizminister machte sich vom Arm seiner Gönnerin los und wandte sich wieder Lamartine zu. »Sind Sie mit einfachen Pistolen
     zufrieden?«
    »In Ihrem Fall würde mir auch eine Reitpeitsche genügen!«
    Die Gäste schrien empört durcheinander. Jetzt gab es für Lamartine kein Zurück mehr. Der letzte Versuch der Baronin klang
     deshalb auch fast halbherzig: »Und wenn Sie sich für Ihre Ungehörigkeit entschuldigen würden, Monsieur? Ich meine, Sie haben
     allerhand getrunken und vertragen wahrscheinlich auch nicht allzu viel   ...«
    »Ich bin völlig nüchtern und weiß, was meine Pflicht ist. Im übrigen bin ich bereit, für Sie zu sterben, Madame«,

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